Sterbenswort: Thriller (German Edition)
entdeckte. Die beiden schienen ein Paar zu sein.
Kron atmete auf: Er hatte schon befürchtet, die Frauen hätten etwas miteinander.
Die Regale waren voll von juristischen Büchern, die teilweise kreuz und quer lagen. An mehreren Stellen prangte der Bundesadler.
Nein, Kron musste zugeben, dass er bislang nichts entdeckt hatte, was die Bewohner der WG als Ostalgiker oder ewig Gestrige hätte erscheinen lassen.
Weitere Bücher bedeckten den Schreibtisch; zwei waren aufgeschlagen, mit Leuchtstift waren Stellen markiert. Überall ragten Post-its aus den Seiten. Er schien hart zu arbeiten, der junge Mann. Das imponierte Kron.
In Amelie Stutzkeis’ Wohnbereich lagen Kleidungsstücke quer auf dem Bett und über dem altmodisch und deplatziert wirkenden Ohrensessel. Und hier befand sich auch der typisch weibliche Krimskrams, den Kron im Zimmer der Mitbewohnerin vermisst hatte. Kron fühlte sich wohler, wenn seine Voreingenommenheit bestätigt wurde.
Und nun, in Erik Steins Raum, geschah dies endlich. So hatte er sich eigentlich die komplette Wohnung vorgestellt, als er erfahren hatte, dass Stein in einer WG gelebt hatte.
Als hätte Heinrich Denk seine Gedanken gelesen, formulierte er eine Rechtfertigung:
»Für sein eigenes Zimmer ist jeder selbst verantwortlich. Kein anderer hat das Recht, einem da hineinzureden.«
»Um die gemeinschaftlich genutzten Räume kümmern wir uns alle zusammen«, ergänzte Kathrin Voss. »Küche, Bad, Toilette, Flur. Wir haben da einen Plan, und jeder hält sich auch dran. Na ja, mehr oder weniger, um ehrlich zu sein.«
»Bad und Toilette schließen sich hier noch an.« Denk deutete auf die nächsten beiden Türen, die vom Flur abgingen. »Möchten Sie einen Blick hineinwerfen?«
»Ich glaube, das wird nicht nötig sein.«
Die junge Frau mit den verweinten Augen verhielt sich am ruhigsten. Kron vermutete, dass sie der Tod des Mitbewohners am meisten bekümmerte.
»Ich würde nun gerne nacheinander einzeln mit Ihnen dreien sprechen. Ich denke, der große Tisch in der Küche wäre am geeignetsten dafür. Herr Denk, würden Sie den Anfang machen?«
»Gerne.«
Ohne weitere Aufforderung zogen sich die beiden jungen Frauen – immer noch Händchen haltend und wechselseitig Trost spendend – in Kathrin Voss’ Zimmer zurück.
Heinrich nahm am Küchentisch Platz, Kron und Brandt-Jankovic setzten sich ihm gegenüber. Der junge Mann bot ihnen Wasser an, doch sie lehnten ab. Auch bei »Tee?« verneinten sie.
Erst jetzt fielen Kron die Urlaubsfotos an der Wand auf. Bilder am Strand. Die vier WG -Bewohner posierten in Badekleidung vor blauem Meer und wolkenlosem Himmel; die beiden Frauen in Bikinis in knöcheltiefem Wasser, hübsch anzusehen; die beiden Männer in einer Strandbar vor einem Bier sitzend, auf einer Tafel konnte Kron das mit Kreide geschriebene Wort ›Tapas‹ entziffern.
»Mallorca?«, fragte er.
»Nein«, sagte Denk. »Gran Canaria. Letzten Sommer. Es war herrlich.«
Für einen Augenblick verlor sich Kron in Gedanken an seinen künftigen Ruhestand, fand dann aber schnell wieder in die Realität zurück: »Sie haben also – abgesehen vom gemeinschaftlichen Wohnen – auch ansonsten häufig Ihre Freizeit miteinander verbracht?«
»Ja, wir verstehen uns wirklich außerordentlich gut – Verzeihung, verstanden.«
Kron ignorierte die Korrektur.
Er musterte weiter das Bild, auf dem alle vier zu sehen waren.
»Sie haben Ihren Arm um Frau Voss gelegt, Herr Stein den seinen um Frau Stutzkeis.«
»Ja. Wir sind ein Paar, besser gesagt, zwei Paare.«
»Sie waren es letzten Sommer und sind es immer noch?«
Heinrich Denk nickte.
Kron verstand nun, warum Amelie Stutzkeis am mitgenommensten wirkte.
»Erzählen Sie mir von Montagabend.«
Brandt-Jankovic legte einen Notizblock auf den Tisch und holte sich einen Kugelschreiber aus ihrer Jacke.
»Nun, wir hatten gefeiert.«
»Was war der Anlass?«
»Thomas hatte Geburtstag.«
»Thomas? Wer ist Thomas?«
»Oh, Entschuldigung. Thomas Pfeiffer, ein gemeinsamer Freund. Er war zu Besuch.«
Brandt-Jankovic fragte nach der Adresse. Denk nannte sie, und die Polizistin schrieb sie sorgfältig auf.
»Thomas wurde am Montag 22 Jahre alt. Er hat versucht, es zu verheimlichen. Als wir uns hier am Küchentisch unterhielten, haben wir es eher zufällig erfahren. Er ist manchmal etwas verschlossen.«
Heinrich Denk goss sich nun selbst ein Glas Wasser ein und nahm einen Schluck.
»Und ich darf Ihnen wirklich nichts anbieten?«
Kron
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