Sterbenswort: Thriller (German Edition)
schüttelte den Kopf.
»Jedenfalls waren wir verständlicherweise sehr überrascht, dass er just an diesem Tag Geburtstag hatte, ohne dass wir davon wussten.«
»Wie lange kennen Sie sich denn schon?«
Denk musste kurz überlegen.
»Also, drei Jahre bestimmt.«
Wieder schrieb Brandt-Jankovic mit.
»›Das muss begossen werden‹, sagte ich zu den anderen – und alle stimmten zu. Unglücklicherweise hatten wir nur noch zwei Flaschen Bier im Haus. Also musste noch mal jemand hinaus. Zwei Straßen weiter befindet sich ein Spätkauf. Aber es war doch so schrecklich kalt an diesem Abend – und dieser elende Schneefall.«
Kron merkte, dass es ihn innerlich fror beim Gedanken an die Suche am Ostbahnhof.
»Keiner wollte freiwillig gehen. Wir einigten uns darauf, Streichhölzer zu ziehen. Das Geburtstagkind ließen wir dabei selbstverständlich außen vor. Also brach ich ein Streichholz entzwei und steckte die eine Hälfte zusammen mit drei ganzen zwischen Zeigefinger und Daumen, so dass für die anderen nur die roten Köpfe zu sehen waren. Erik verlor. Natürlich zierte er sich und schimpfte. Aber es blieb ihm nichts anderes übrig. Wir waren uns ja vorher einig gewesen.«
»Und da haben Sie ihn das letzte Mal lebend gesehen?«
»Aber nein. Er kehrte nach etwa zwanzig Minuten zurück. Und wir waren sehr überrascht.«
»Warum?«
»Wir hatten Rotkäppchen-Sekt erwartet zum Anstoßen. Stattdessen kam er mit Wodka Gorbatschow zurück. ›Wenn es schon so eisig ist wie in Moskau, dann sollten wir auch entsprechend trinken‹, sagte er und erntete keinen Widerspruch. Denn wenn jemand gesagt hätte, er wolle doch lieber Sekt trinken, wären sich die anderen sicher schnell einig gewesen, dass derjenige den Sekt dann auch hätte holen müssen. Erik schraubte die Flasche auf und goss den Wodka in unsere normalen Trinkgläser.«
Heinrich Denk sah auf das Wasserglas vor sich.
»Ich hoffe, Sie haben nun keine schlechte Meinung von uns, Herr Kommissar. Wir trinken hier nicht allzu häufig zusammen. Wir haben ja alle zu lernen. Entsprechend schnell zeigte der Wodka seine Wirkung. Ja, man könnte sogar sagen, es eskalierte.«
»Was meinen Sie?«
»Erik forderte die anderen auf, auf Ex zu trinken. Zu meiner eigenen Schande muss ich gestehen, dass ich ihn unterstützte. So gelang es uns, auch die Frauen und Thomas zum Trinken zu bewegen. Und Erik schenkte sofort nach, wenn er sah, dass eines der Gläser leer war. Bereits nach einer halben Stunde war nichts mehr drin in der Flasche.«
Denk spielte nervös an seinem obersten Hemdknopf herum: »Ich schlug vor, eine weitere zu holen.«
»Und die anderen wollten das auch?«
»Die Frauen zunächst nicht, doch Thomas hatte bereits Gefallen an dem Spiel gefunden. Wir überstimmten die Frauen und losten erneut. Ich verlor. Und stellte fest, dass das Wetter wirklich, wirklich scheußlich war. Allein der Wodka in mir wärmte mich und die Aussicht auf den nächsten.«
Kron gefiel nicht, was er hörte. Auch er kannte solche Situationen, doch konnte er sie für sich selbst an einer Hand abzählen.
»Also holte ich im Spätkauf die nächste Flasche. Als ich zurückkam, hörte ich bereits im Treppenhaus laute Musik. In der Wohnküche tanzten Amelie und Erik miteinander, während Kathrin und Thomas mich und den Wodka freudig willkommen hießen. Zuerst drehte ich die Musik leiser, damit sich die Nachbarn nicht beschwerten.«
Kron spürte, wie peinlich dem jungen Mann die ganze Geschichte war. Und er sah keinen Grund, an dessen Worten zu zweifeln. Schließlich rückte er sich damit selbst in ein eher zweifelhaftes Licht. Er hätte die Chance gehabt, den Alkoholkonsum ganz zu verschweigen und ihn anzulügen.
»Was soll ich sagen? Sie ahnen es bereits. Die zweite Flasche wurde ebenfalls geleert. Ich würde sogar meinen, noch schneller als die erste.«
»Und dann losten Sie erneut?«
Heinrich Denk nickte.
»Wenn ich gewusst hätte, was es für Konsequenzen mit sich bringen würde …«
»Erik verlor!«, griff Kron der Erzählung vor.
»Ja.«
»Schien er Ihnen irgendwie depressiv zu sein, als er die Wohnung verließ?«
»Aber nein. Er war bestens gelaunt. Regelrecht aufgekratzt war er. Voller Tatendrang.«
»Was trug er zu diesem Zeitpunkt?«
Denk brauchte nicht lange zu überlegen.
»Er schlüpfte in einen seiner Trenchcoats. Das war so ein Spleen von ihm. Er hatte überhaupt keine anderen Winterjacken.«
Denk beschrieb die restliche Kleidung, die Erik Stein getragen hatte.
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