Sterblich
gern den Überblick. Waren Sie schon einmal bei ihm zu Hause? Ordentlich und aufgeräumt. Das Blatt, das Sie vor sich liegen haben, ist der Ausdruck einer Exceldatei, die wir auf dem Rechner gefunden haben, den Ihr Mandant verbrennen wollte. Sie verstehen vielleicht, weshalb?«
Indrehaug sieht sich das Blatt genauer an. Er sieht Namen, Telefonnummern, Mailadressen.
»Nach einem schnellen Suchlauf, den wir eigentlich gar nicht gebraucht hätten, wissen wir, dass auf dieser Liste die Namen von bösen Menschen stehen. Von schlechten Menschen. Von Menschen, die dafür sorgen, dass es auf unseren Straßen Drogen im Überfluss gibt, dass unsere Kinder sie nehmen und ebenso auf die schiefe Bahn geraten.«
Indrehaug schiebt den Zettel zu Brogeland zurück und stößt Luft durch die Nase aus.
»Das beweist gar nichts. Es gibt sicher viele gute Gründe dafür, dass mein Mandant diese Informationen auf seinem Computer verwaltet. Allein die Tatsache, dass Sie die Internetseite von Rema1000 unter Ihren Favoriten abgespeichert haben, heißt ja wohl nicht automatisch, dass Sie dort auch einkaufen. Genauso wenig muss diese Namensliste, die Sie auf dem Computer meines Mandanten gefunden haben, bedeuten, dass er eine Frau umgebracht hat.«
»Da gebe ich Ihnen recht«, antwortet Brogeland und lächelt. »Aber wie erklären Sie dann das hier?«
Er schiebt Indrehaug und Marhoni ein zweites Blatt zu.
»Auch dieses Foto haben wir im Laptop Ihres Mandanten gefunden. So wie viele weitere, um genau zu sein.«
Indrehaug betrachtet das Blatt. Marhoni würdigt das Bild keines Blickes. Es zeigt ihn selbst zusammen mit einem Mann in dunkler Lederjacke. Den Rücken der Lederjacke ziert ein Flammenmotiv. Das Gesicht des Mannes ist deutlich zu erkennen.
»Das ist Ihr Mandant in Gesellschaft eines Mannes, der Abdul Sebrani heißt. Wenn Sie sich noch einmal die Namensliste anschauen wollen – auch dort taucht Sebranis Name auf. Das Foto entstand im letzten Frühjahr bei der Übergabe einer Partie Kokain von der Gang BBB – Bad Boys Burning – an Ihren Mandanten. Aufgenommen bei Vippetangen. Sehen Sie das Wasser im Hintergrund?«
Indrehaug sieht sich das Foto sehr gründlich an. Es ist scharf und mit einem Teleobjektiv aus ziemlich großer Entfernung aufgenommen worden.
»Erinnern Sie sich, wohin Sie die Drogen liefern sollten, Marhoni?«, fragt Brogeland, bekommt aber keine Antwort.
»Es gibt hier noch eine ganze Reihe ähnlicher Fotos. Ihr Mandant – und hier kann ich nur vermuten – hat in den Fotos vermutlich eine Art Lebensversicherung gegenüber seinen Geschäftskontakten gesehen, falls diese irgendwann auf die Idee kommen sollten, sich gegen ihn zu wenden. Und vielleicht ist ja genau das geschehen? Haben die Sie bedroht, Marhoni?«
Marhoni reagiert nicht auf Brogelands musternden Blick.
»Ihr Mandant hat sich die ganze Zeit sehr zurückgehalten. Aber als seine Freundin ermordet wird und wir an seiner Tür klopfen, wird ihm klar, dass sein Laptop sein Untergang sein könnte. Und der von BBB . Darum hat er versucht, ihn zu verbrennen, um die Beweise zu vernichten.«
Brogeland sieht von Marhoni zu Indrehaug. Der Anwalt weicht seinem Blick aus, lehnt sich stattdessen seitwärts zu Marhoni und flüstert ihm etwas ins Ohr.
Bingo, denkt Brogeland. Er sieht zu Sandland, hofft, dass sie das Gleiche denkt wie er, aber sie macht ein Pokerface.
»Ihr Bruder war Fotograf, nicht wahr?«, fragt sie.
Marhoni wendet sich ihr zu, sagt aber nichts.
»Er hat diese Fotos gemacht, oder? Sie wurden direkt auf Ihren Computer geladen.«
Marhoni sagt noch immer nichts, aber das ist auch nicht nötig.
»Wo lebt der Rest Ihrer Familie, Mahmoud?«
Marhoni hält Sandlands Blick stand, ehe er sich wegdreht und leise sagt: »In Pakistan.«
»Machen Sie sich keine Sorgen um sie?«
»Wie meinen Sie das?«
»Wer soll ihnen jetzt Geld schicken?«
Marhoni senkt den Blick.
»Wir wissen, dass Sie ihnen jeden Monat eine nicht unbeträchtliche Summe überweisen. Ihr Vater leidet an einer ernsten Hirnerkrankung, nicht wahr? Das Geld sorgt dafür, dass er die notwendigen Behandlungen in Anspruch nehmen kann. Die Summen variieren leicht, aber das hat wohl nur mit dem aktuellen Tauschkurs zu tun. Das Geld, das Sie als Taxifahrer verdienen, geht für die Lebenshaltungskosten drauf, während das Geld, das Sie für den Transport von Drogen und Gang-Mitgliedern bekommen, nach Pakistan geht. Stimmt das so?«
Marhoni antwortet nicht.
»Möchten Sie
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