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Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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loszufahren. Doch er bleibt stehen und schaut immer wieder in den Spiegel, es ist aber kein silbergrauer Mercedes zu sehen. Vor ihm passieren Autos in beide Richtungen, bis sie bremsen und die Ampel, an der er wartet, von Rot auf Gelb springt. Er dreht am Gashebel, biegt nach links ab und schafft es über die Kreuzung, ehe die Fußgänger die Mitte der Straße erreicht haben. Dann ist er wieder in der Hausmanns gate. Ein erneuter Blick in den Spiegel zeigt ihm noch immer kein Verfolgerfahrzeug. Beruhigt fährt er weiter und fühlt, wie die Autoschlange hinter ihm anwächst. Er hat aber nicht vor, die Wagen vorbeizulassen. Den nächsten Zebrastreifen überfährt er einfach, vorbei an der Elvebakken-Schule auf der rechten Seite, vor der ein paar Schüler stehen und rauchen. Gleich darauf ist er an der Kreuzung, an der die Rosteds gate anfängt. Schon wieder eine rote Ampel, verflucht! Er stellt sich in die Mitte der Fahrbahn und wirft einen Blick über die Schulter, um nach dem Taxi Ausschau zu halten. A2052 ist nicht zu sehen, aber es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis sie ihn einholen. Und was dann? Sie wissen garantiert, wohin ich unterwegs bin, denkt er, die Westerdals kennen sie auch, sie waren ja schon mal da. Scheiße! Er gibt Gas, rollt über das Fußgängerfeld und biegt seitwärts ab. Ein Fußgänger starrt ihn empört an, aber er ignoriert es, rumpelt auf den Gehweg, gibt erneut Gas, fährt ein paar Meter weiter, bis sich eine Lücke auftut und er wieder auf die Straße fahren kann. Als er einen Blick nach links wirft, sieht er nur Backstein und Beton. Hier ist er nicht mehr zu entdecken. O wunderbare Vespa.
    Er gibt bis zur Einmündung des Fredensborgveien Gas, biegt ab und fährt auf den Schulparkplatz, wo er die Vespa hinter einem Stromkasten abstellt. Mit einer raschen Bewegung zieht er den Helm ab und sieht sich um. Kein A2052. Aber weit können sie nicht sein. Er beeilt sich, auf das Schulgelände zu kommen.
    Als Ersten sieht er Tore Benjaminsen und überlegt für den Bruchteil einer Sekunde, zu ihm zu gehen, aber es sind zu viele andere Menschen in der Nähe. Und was sollte er ihm sagen? »Haben Sie Yngve Foldvik gesehen? Wissen Sie, dass er verschwunden ist?« Im Grunde genommen weiß er gar nicht recht, wieso er ausgerechnet hierhergekommen ist. Was erhoffe ich mir, hier zu finden oder zu verstehen?, fragt er sich. Glaubt er vielleicht, die Foldviks verstecken sich irgendwo in der Schule? Oder dass die Studenten oder Kollegen wissen, wohin Foldviks sich zurückziehen, wenn sie alleine sein wollen? Vermutlich wissen die Leute noch gar nicht, was passiert ist.
    Er schüttelt den Kopf über seine Impulsivität. Dann dreht er sich um und zuckt zusammen. Vor ihm steht Anette Skoppum.

61
    Bjarne Brogeland wandert in seinem Büro auf und ab. Gerade ist die Kriminaltechnikerin Ann-Mari Sara mit ihrem müden samischen Gesicht auf seinem Bildschirm aufgetaucht und hat ihn über die neuesten Funde auf Marhonis Festplatte informiert. Damit wird Marhonis Verhör eine reine Formsache. Aber das befriedigt mich noch nicht, denkt Brogeland. Was ist zum Beispiel mit Yngve und Ingvild Foldvik? Wieso sind sie nicht zu finden?
    Brogeland flucht stumm, als Ella Sandland an die Tür klopft und fragt, ob er startklar ist. Und ob ich startklar bin, denkt Brogeland, zum Kotzen startklar.
    Der Anwalt Lars Indrehaug empört sich wie gewohnt im Auftrag seines Klienten, als Sandland und Brogeland sie im Vernehmungsraum willkommen heißen und die Formalitäten abhaken.
    »Und worüber wollen wir uns heute unterhalten?«, fragt Indrehaug, als Brogeland fertig ist. »Welche Lieblingsfarbe mein Mandant hat? Oder was er von Autos hält?«
    Indrehaug nickt Marhoni zu. Brogeland lächelt. Er ist plötzlich gar nicht mehr müde, der Anblick des schmierigen Anwalts hat sein Blut in Wallung gebracht. Er schiebt ein Blatt zu ihnen rüber und platziert es genau zwischen ihnen, damit sie es sich beide ansehen können. Marhoni beugt sich vor, wirft einen raschen Blick darauf und wendet sich ab. Er schüttelt den Kopf, fast unmerklich. Aber Brogeland registriert es sehr wohl.
    »Was ist das?«, fragt Indrehaug.
    »Ich denke, das ist ziemlich deutlich zu erkennen«, sagt Brogeland. »Würden Sie es uns bitte trotzdem erläutern, Herr Marhoni?«
    Marhoni starrt die Wand an.
    »Okay, dann übernehme ich das«, sagt Brogeland an Indrehaug gewandt. »Ihr Mandant hat, glauben Sie es oder nicht, einen ausgeprägten Hang zu Ordnung. Er behält

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