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Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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oben steigt. Er verflucht sich selbst dafür, am Morgen seine Tabletten vergessen zu haben, aber dieser Gedanke verfliegt im gleichen Moment, als er in der ersten Etage die Tür mit dem Schild MARHONI sieht. Er bleibt stehen und atmet tief durch. Sein erster Hausbesuch. Gestern war er noch nicht richtig fit, vielleicht klappt es ja heute ein bisschen besser.
    Er klingelt. Kein Laut. Er wartet und lauscht, hört nichts. Dann klingelt er noch einmal. Die Klingel scheint nicht zu funktionieren, sodass er sich entschließt anzuklopfen. Er schlägt mit dem Knöchel dreimal fest gegen die Tür.
    Da hört er drinnen ein Geräusch, als hätte sich jemand im Bett umgedreht. Er klopft noch einmal. Füße auf dem Boden. Er tritt einen Schritt zurück, als die Tür aufgeht. Tariq Marhoni steht verschlafen in der Tür. Henning hat den Eindruck, er schläft noch halb. Der Mann blickt ihn aus schmalen Schlitzen an, und er schwankt. Er trägt bloß eine Unterhose und ein schmutziges Unterhemd. Er sieht müde aus, hat Ringe unter den Augen, und er scheint sich mit aller Macht einen Bart stehen lassen zu wollen. Er ist untersetzt, und die Haare auf seinem Kopf stehen struppig in alle Richtungen ab. Es ist sicher ein paar Tage her, dass er das letzte Mal geduscht hat.
    Auf der Suche nach dem Gleichgewicht stützt er sich mit einer Hand am Türrahmen ab.
    »Guten Morgen, mein Name ist Henning Juul.«
    Tariq sagt nichts.
    »Ich arbeite bei 123nyheter , und …«
    Tariq tritt einen Schritt zurück, knallt die Tür zu und schließt ab.
    Super, Henning! Wirklich Klasse!
    »Nur zwei Minuten, Tariq.«
    Die Schritte entfernen sich. Henning flucht innerlich und klopft noch einmal an. Ohne Reaktion. Dann zieht er seinen letzten Trumpf.
    »Ich bin hier, weil ich glaube, dass Ihr Bruder unschuldig ist!«
    Er ruft etwas lauter, als er sich das vorgenommen hatte, sodass seine Stimme im Treppenhaus widerhallt. Er wartet. Und wartet. Aber aus der Wohnung kommt kein Laut. Verflucht, denkt er.
    Das war doch wirklich nicht kompliziert.
    Nach ein oder zwei Minuten gibt er auf und geht langsam nach unten. Er will gerade die Haustür öffnen, als er hinter sich einen Laut hört und sich umsieht. Oben öffnet sich eine Tür. Tariq kommt zum Vorschein. Er sieht zu Henning hinunter. Die Apathie ist aus seinem Blick gewichen. Henning entschließt sich, den Augenblick zu nutzen. Er hebt die Hände.
    »Ich bin nicht hier, um Ihrem Bruder irgendetwas anzuhängen.«
    Seine Stimme ist weich, voller Mitgefühl. Tariq scheint über die Worte nachzudenken.
    »Sie halten ihn für unschuldig?«
    Er spricht gebrochen, mit heller Stimme. Henning nickt. Tariq zögert, er denkt nach. Das Unterhemd spannt über dem Bauch.
    »Wenn Sie irgendeinen Scheiß über meinen Bruder schreiben …«
    Er setzt eine aggressive Miene auf, bringt den Satz aber nicht zu Ende. Henning hebt noch einmal die Hände. Es muss reichen, in seine Augen zu sehen, um zu erkennen, dass er es ernst meint. Tariq geht zurück in die Wohnung, lässt die Tür aber offen stehen. Henning folgt ihm.
    Gut, Henning, du machst dich.
    Er tritt ein, schließt die Tür hinter sich, blickt an die Decke und sieht, wonach er gesucht hat.
    »Ich ziehe mich nur kurz an«, ruft Tariq. Henning geht in die Wohnung, die überraschend sauber und ordentlich ist. Auf der rechten Seite gehen zwei Türen von einem Flur ab, auf dem Schuhe ordentlich paarweise an der Fußleiste abgestellt sind. Eine Tür auf der anderen Seite steht offen. Er wirft einen Blick hinein und sieht eine Toilette mit hochgeklapptem Deckel. Der schwache Zitronenduft eines Toilettenspülsteins dringt in seine Nase.
    Dann geht er an der Küche vorbei. Neben dem Spülbecken steht ein Teller mit ein paar Krümeln und ein Glas mit einem Rest Milch. Schließlich betritt er das Wohnzimmer und nimmt in einem Sessel Platz. Er ist so weich, dass er das Gefühl hat, sein Po würde bald den Boden berühren. Von seinem Platz aus kann er den Flur einsehen, die Schuhreihe, die Wohnungstür. Überall ist es sauber.
    Er sieht sich um, wie er es immer tut, wenn er jemanden zu Hause besucht. Details , pflegte sein alter Lehrmeister Jarle Høgseth immer zu sagen. Alles liegt in den Details verborgen . Das Erste, was ihm auffällt, sind die vielen Pflanzen und Blumen in der Wohnung der Brüder. Auf der Fensterbank steht eine üppige Pelargonie mit frischen rosa Blüten. Auf einem Ecktisch eine Vase mit einer Orchidee. Rosa Rosen. Die Brüder scheinen rosa zu mögen. Zwei

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