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Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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und sich am Bart kratzen zu sehen, aber er ist ebenso wenig dabei wie Pia Nøkleby.
    Die Polizisten verschaffen sich rasch einen Überblick im Zelt und inspizieren dann die nähere Umgebung. Sandland kümmert sich um Ingvild, während ein anderer beginnt, Yngve auszugraben. Zwei Sanitäter versorgen Anette. Brogeland tritt neben ihn und hebt die Augenbrauen.
    »Du hast einen guten Riecher, Juul, das muss man dir lassen«, sagt er und legt seine Hand auf Hennings Schulter. Er ist es nicht gewohnt, gelobt zu werden oder Komplimente zu bekommen, und brummelt einen leisen Dank vor sich hin. Seine Kleider kleben auf der Haut, er löst Hemd und Hose etwas vom Körper.
    »Geh noch nicht«, sagt Brogeland. »Wir müssen reden, und dieses Mal definitiv nicht am Telefon.«
    Brogeland lächelt.
    »Ich geh nur kurz raus«, sagt Henning.
    Als er an die frische Luft kommt, hat es aufgehört zu regnen. Der Wind ist kalt. Sein Gesicht glüht, und die eisige Brise ist angenehm auf der feuchten, heißen Haut. Bestimmt hole ich mir eine Erkältung, denkt er. Er ist nass bis auf die Knochen. Aber was soll’s. Was spielt das jetzt für eine Rolle.
    Er zieht das Handy aus der Tasche und wählt Iver Gundersens Nummer. Gundersen meldet sich schnell.
    »Hallo, Iver, ich bin’s«, sagt er.
    »Hallo.«
    Gundersen weiß noch nichts, denkt Henning.
    »Bist du in der Redaktion?«
    »Ja.«
    »Bist du in der Nähe eines Computers?«
    »Jepp.«
    »Hast du Lust auf einen Scoop?«
    Es wird still.
    »Einen Scoop?«
    »Jepp. Einen Scoop. Ja oder nein? Wenn nicht, rufe ich jemand anders an.«
    Henning kann das Grübeln förmlich durch den Hörer spüren.
    »Nein, ich meine, ja. Ja, klar habe ich Lust auf einen Scoop. Aber worum zum Teufel geht es eigentlich?«
    Henning saugt die kalte Luft tief in seine Lungen. Das tut gut.
    »Aber zu meinen Bedingungen. Du darfst gerne Zwischenfragen stellen, aber nicht, warum ich es ausgerechnet so haben will. Ist das klar?«
    »Henning, ich …«
    »Ist das klar?«
    »Verdammt, Henning, ja, es ist klar!«
    Er grinst. Ein bisschen Spaß muss sein.
    »Okay, dann mach dich fertig«, sagt er.
    Und damit legt er los.
    Henning geht im Kreis, während er mit Gundersen redet, und als Brogeland & Co. die ersten Vernehmungen vor dem Zelt vornehmen, beobachtet er Ingvild und Yngve verstohlen. Die Eheleute Foldvik haben Decken bekommen, in die sie sich eingewickelt haben. Sie sehen die Beamten nicht an, die mit ihnen reden.
    Sie sehen überhaupt niemanden an.
    Als Brogeland ihm ein Zeichen gibt, ist es früher Nachmittag. Auf dem Ekeberg wird es allmählich belebter, Zeitungs- und Fernsehübertragungswagen haben ihren Weg zum Ort des Geschehens gefunden, und eine Schar Schaulustiger ist zusammengeströmt, um nachzusehen, was jetzt schon wieder in dem Zelt passiert ist. Man kann es ihnen nicht verdenken. Auch er wäre wahrscheinlich neugierig. Doch so richtig aus allen Wolken fallen werden sie, wenn sie später 123nyheter lesen, so es Gundersen denn gelungen ist, die Fakten in eine einigermaßen lesbare chronologische Reihenfolge zu bringen.
    »So«, sagt Brogeland und nickt Henning zu. Henning folgt ihm, weg von den anderen.
    »Was hältst du von dem Ganzen?«, fragt der Polizist.
    »Was meinst du?«
    »Geht die Welt gerade unter und unsere Zivilisation vollends den Bach runter?«
    »Ich weiß es nicht«, sagt Henning.
    »Ich auch nicht. Verdammt«, sagt Brogeland und schüttelt den Kopf. »Glaubst du, dass sie sich davon erholen?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht.«
    »Wie geht es Anette?«
    »Sie wird bald wieder auf dem Damm sein.«
    »Muss sie ins Krankenhaus?«
    »Das ist, glaube ich, nicht nötig.«
    Sie laufen noch ein wenig weiter. Die Wolken ziehen eilig über sie hinweg. Es ist kälter geworden. Die Kleider kleben nicht mehr so an seinem Körper.
    »Habt ihr schon herausgefunden, woran Stefan gestorben ist?«, fragt er. Sie machen kehrt und gehen zurück Richtung Zelt. Brogeland schüttelt den Kopf.
    »Dazu ist es noch zu früh, es deutet aber alles auf eine Überdosis Tabletten und Alkohol hin.«
    »Damit ist dieser Todesfall nicht mehr verdächtig?«
    »Nein, das meiste scheint geklärt.«
    »Heißt das, ihr schöpft nicht alles an Proben und Analysen aus?«
    »Das liegt nicht in meinem Entscheidungsbereich, aber ich nehme an, dass das in der Priorität etwas nach unten wandert.«
    »Hm.«
    Henning sieht sich um. Ein Kameramann legt sich die Kamera auf die Schulter. Ein Journalist konferiert mit seinem Notizblock und

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