Sterblich
denkt er.
Hassan lässt das Quartett die Arbeit abschließen, ehe er auf den Knopf drückt, um das Tor zu öffnen. Der Mann ist unsicher, ob er hineingehen oder warten soll. Hassan steht auf, winkt seinen Mitarbeitern zu und gibt ihnen zu verstehen, dass sie den Rest im Tageslicht machen sollen. Yasser Shah setzt sich in den Wagen, startet den Motor und fährt rückwärts nach draußen. Die anderen folgen mit ihren Putztüchern.
Hassan geht zum Besitzer des Wagens und nimmt das Geld entgegen.
»Das sieht sehr gut aus«, sagt der Mann. Hassan nickt, zählt die acht Zwanzigkronenstücke, die er bekommen hat, und verschweigt, dass es zehn Kronen zu viel sind. Das wäre nach diesem Blitzservice ja noch schöner, denkt er.
Shah steigt aus dem Wagen und reicht dem Besitzer die Schlüssel. Die drei anderen wischen die letzten Tropfen von Dach, Türen und Felgen.
Der Mann bedankt sich überschwänglich, steigt ein und rollt gemächlich auf die Straße. Hassan sieht zu den anderen hinüber und schickt sie wieder nach drinnen, wo sie sich in Hassans Glaskasten versammeln. Das Büro ist nur ein paar Quadratmeter groß, mit drei Stühlen und einem Fernseher in einer Ecke. Al-Dschasira. Ohne Ton. Auf Hassans Schreibtisch türmen sich Papiere und Zeitungen, daneben stehen ein Computer und eine Kaffeetasse. Ein altes Nacktfoto von Nereida Gallardo Alvarez schmückt die Wand hinter Hassans knirschendem Stuhl.
»Mach die Tür zu«, sagt Hassan zu Yasser Shah und drückt auf einen Knopf. Vor der Waschhalle leuchtet eine Lampe rot auf.
Die Männer stehen da und warten, während Hassan sie der Reihe nach ansieht. Seine halblangen Haare hat er mit Gel nach hinten gekämmt. Er trägt keinen Pferdeschwanz, obgleich die Haare lang genug dafür wären. Ein schmaler, gepflegter Bart rahmt seinen Mund ein. Er trägt eine dicke Goldkette um den Hals und passende Ohrringe, eine abgetragene Jeans und ein enges weißes T-Shirt. Hassan ist schlank, aber nicht schmächtig. Seine tätowierten Arme sind muskulös, auf der einen Seite prangt ein grüner Frosch, auf der anderen ein schwarzer Skorpion.
»Wir haben ein Problem«, sagt er ernst und lässt seinen Blick noch einmal über die drei schweifen. »Wir haben schon einmal darüber gesprochen, was wir in einer solchen Situation machen müssen, insbesondere wenn das geschieht, was jetzt geschehen ist.«
Die anderen nicken stumm. Yasser Shah öffnet den Mund ein wenig, was Hassan nicht entgeht.
»Yasser, jetzt bist du an der Reihe«, sagt er kurz, aber entschlossen. Als Yasser antworten will, schneidet Hassan ihm das Wort ab.
»Wir müssen ihm einen Denkzettel verpassen. Das ist jetzt deine Chance, uns zu beweisen, dass du einer von uns bist und es ernst meinst.«
Shah blickt zu Boden. Er ist klein und kräftig. Sein Bart, der sich wie ein Rechteck um seinen Mund legt, ist mit einem schmalen, ausrasierten Streifen mit den Koteletten verbunden. Ansonsten ist er glatt rasiert. Seine Nase ist seit einem Faustkampf 1994 in Gujarat schief. Auch seine Lippe wurde bei diesem Kampf gespalten, auf der linken Seite ist noch immer eine Narbe in seiner Oberlippe zu erkennen. Der Ring in seinem linken Ohr sieht wie ein Diamant aus.
»Willst du ins Gefängnis?«
Shah hebt wieder den Blick.
»Nein«, antwortet er leise.
»Willst du, dass wir ins Gefängnis kommen?«
»Nein.«
Seine Stimme klingt jetzt kräftiger.
»Unser Leben hier verlangt von uns, füreinander Opfer zu bringen«, fährt Hassan fort. »Wir dürfen kein Risiko eingehen.«
Die anderen sehen von Hassan zu Shah. Hassan wartet lange, bevor er die Schublade aufzieht und ein schwarzes Kästchen herausholt. Er öffnet es, nimmt eine Pistole und einen Schalldämpfer heraus und reicht sie Shah.
»Das ist eine einfache, klare Sache. Mach keinen Fehler.«
Shah nickt zögernd.
»Und ihr anderen sorgt dafür, dass ihr in der entsprechenden Zeit ein anständiges Alibi habt. Am besten haltet ihr euch irgendwo in der Nähe einer Videokamera auf. Es ist nicht sicher, dass die Bullenschweine anrufen, aber sollten sie es tun, werden sie wissen wollen, wo ihr wart.«
Alle außer Shah nicken. Er steht wie angewurzelt da und blickt zu Boden.
19
Henning klappt sein Laptop noch einmal auf und lokalisiert FireCracker 2.0 im Programm-Menü. Er zögert ein paar Sekunden, ehe er sich entschließt, das Icon, eine Neujahrsrakete im Miniaturformat, anzuklicken. Vielleicht benutzt 6tiermes7 inzwischen eine andere Version, denkt er, eine aktuellere,
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