Stern auf Nullkurs (1979)
erkennbaren herben Zug um den Mund, das Wenden ihres Kopfes, wenn sie herüberschaut, Tonders helle Augen, die auf einen Punkt in weiter Ferne zu starren scheinen, die Falten in seinem Gesicht und die Blicke der beiden anderen, die sich immer wieder suchen.
Zeitiger, als es seiner Gewohnheit entspricht, geht er zu Bett, aber er findet stundenlang keine Ruhe. Immer wieder sieht er Pela vor sich, wie sie am Beckenrand steht, nackt und schlank, aufgerichtet, den Körper wie eine Feder gespannt, wie sie aus dem Wasser steigt und die Tropfen auf ihrer braunen Haut herabrinnen!
Jetzt, in der Erinnerung, erlebt er das Bad noch einmal, heftiger diesmal, inniger, die Berührungen sind nicht mehr nur zufällig, keine zeitlich kaum faßbaren Kontakte, sondern Liebkosungen, Umarmungen.
Schließlich ruft er sich selbst zur Ordnung, schilt sich einen Toren, der sein Leben in Gedanken lebt. Natürlich war es nur ein Spiel, sagt er sich, ein unschuldiges Spiel, dessen ist er ganz sicher, aber er weiß auch, daß es das nicht bleiben muß, und er hofft, daß es das nicht bleiben wird.
Hat er sich innerlich so schnell von Aikiko gelöst, fragt er sich wenig später, oder ist das, was ihn zu Pela zieht, nichts als das Bedürfnis, einen Menschen zu haben, dem man auch seine innersten Regungen anvertrauen kann? Konnte er das bisher überhaupt? Fürchtete er sich nicht stets vor Aikikos allgegegenwärtigem Spott?
Und wird er sich Pela Storm eines Tages ganz anvertrauen können, ohne fürchten zu müssen, daß auch sie ihn für einen Phantasten hält?
Bereits am zeitigen Morgen des folgenden Tages beginnen sie mit dem Transport der Antennen. Es ist keine schwierige, aber eine langwierige Arbeit. Mehrmals müssen sie die vereiste Strecke von der Station zu den Hügeln hochbepackt zurücklegen.
Am angenehmsten ist jeweils der Rückweg. Zum einen haben sie dabei lediglich die Last des eigenen Skaphanders zu tragen, und zum anderen überkommt sie jedesmal ein Gefühl der Heimkehr, wenn sich der runde Rücken der Station von den glitzernden Eisflächen abzuheben beginnt, wenn sich die unweit des neuen Gebäudes verankerte Fähre aus einem konturenlosen Fleck zum spinnenbeinigen Landegerät wandelt.
Um die Stützen häuft sich unmerklich Schnee. Der stetig wehende Wind bildet kleine Wirbel, die die Kristalle an jeder geschützten Stelle ablagern. Bisher ist es bei dem schwächlichen Wind geblieben, aber noch immer rechnen sie mit einem überraschend ausbrechenden Sturm. Mehrmals am Tag suchen sie den Himmel über dem Horizont ab, doch dort ist nichts als samtiges Schwarz, nicht die kleinste Wolke, die Gefahr signalisieren könnte.
Nachdem die letzten Teile der Antennenanlage am Fuße der Hügelkette deponiert sind, nachdem auch die Anschlußkabel bis in unmittelbare Nähe des Depots ausgerollt sind, geht ein weiterer Tag zu Ende. Sie haben die übliche Zeiteinteilung beibehalten, es ist einfacher so. Zwölf Stunden sind ein Tag, und die darauffolgenden Stunden sind die Nacht.
Nach dem obligatorischen Bad treffen sie sich im Gemeinschaftsraum zum Abendessen, sitzen noch ein paar Stunden herum, müde von den Anstrengungen des Tages, sie unterhalten sich schleppend, lauschen den Funksprüchen der vier Außenstationen im Bereich Pluto oder schalten sich hin und wieder auch in die fremden Gespräche ein.
Aber es gibt weder etwas zu berichten, noch erfahren sie Neuigkeiten, es ist zu befürchten, daß auch die kommenden Abende in tatenloser Gleichförmigkeit vergehen werden. Die Zeit wird langsam dahin-schleichen, schon jetzt ist Tonder schweigsam geworden.
Wie lange werden sie diese Abende ertragen können? Tage? Wochen? Sechs Wochen nach irdischer Rechnung werden vergehen, ehe Pluto die günstige Position wieder verläßt, sechs lange Wochen werden sie auf sich allein gestellt bleiben. Werden sie diese Zeit überstehen, ohne sich aneinander zu reiben, ohne sich gegenseitig auf die Nerven zu gehen? Wird nicht der Tag kommen, da sie jede Geste, jedes Wort und jede Reaktion des anderen so gut kennen, daß sie in Wut geraten, weil sie wieder und wieder das gleiche sehen und hören, hören und sehen müssen?
Oder wird sich ihre kleine Gemeinschaft so gut zusammenfügen, daß es keine Reibereien geben kann, weil sie nicht nur Kollegen, sondern Freunde geworden sind?
Kalo blickt auf. Was sind das für Gedanken, woher kommen sie? Er sieht, daß Pela ihn beobachtet, und plötzlich ist er überzeugt, daß er nichts Besseres tun
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