Stern auf Nullkurs (1979)
davon überzeugt, daß sie ohne einander nicht zu leben vermochten.
Bei einer dieser von Euphorie überstrahlten Versöhnung beschlossen sie, sich ein Bindeglied zu schaffen; Aikiko meinte, daß ein Kind alles zwischen ihnen in Ordnung bringen könne. Bis zur Geburt Michikas und noch einige Zeit danach ging alles gut, aber nachdem das Kind in die Schule von Lenkoran gekommen war, begann die Misere von neuem.
Schon der Verzweiflung nahe, versuchte er sich desensibilisieren zu lassen. Zweifellos spielte dabei auch die Existenz seiner Tochter eine Rolle. Er hing an Michika. Ihr entfremdet zu werden, fürchtete er fast noch mehr als die Trennung von Aikiko.
Aber bereits nach den ersten Impulsionen zeigten sich Nebenwirkungen, die ihn zum Nachdenken zwangen. Fast unmerklich ließ das Interesse an seiner selbstgewählten Aufgabe, die er bisher als Lebensaufgabe betrachtet hatte, nach, der Zeitpunkt, zu dem er sich irgendeine Arbeit gesucht hätte, die ihn weder reizte noch ihm das notwendige Maß an Selbstachtung vermitteln konnte, rückte immer näher. Da brach er auch diesen letzten Versuch ab.
Kalo seufzt. All das ist vorbei. Er wird es vergessen müssen, all die schlimmen Tage, was ihm nicht schwer werden wird, und all die guten Stunden, und das wird ihm so leicht nicht fallen. Notwendig ist es trotzdem.
Unterhalb der Antennengruppe beginnt ein steiler Eishang, der mehrere Meter über die Ebene hinausragt. Bei Beginn der Montage hat jemand mit dem Hitzestrahler Stufen in das Eis geschnitten. Sie sind nicht sehr gleichmäßig geraten, aber immerhin erleichtern sie den Abstieg.
Dann ist der Abstand zu den Antennen groß genug, so daß man die gesamte Anlage überblicken kann. Vier Schalen erheben sich auf feingliedrigen Stützen, unbeweglich noch, die Kälte hat sie bereits mit einer dünnen, glitzernden Reifschicht überzogen.
Rechts die Zweimeterschale des Radioteleskops.
Daneben der Hybridstrahler zur Verfolgung schneller Körper. Die kleine Parabolantenne zur Aufnahme schmalbandiger elektromagnetischer Spektren.
Der Interferenzstrahler, der sich wie eine geöffnete Hand in die Atmosphäre Plutos reckt.
Vier Antennen, vier Möglichkeiten, vervierfachte Hoffnung auf Kontakte.
Hal Krokot schließt die Kabelkupplungen, prüft die Funktion mit Hilfe eines Handmonitors und ordnet endlich den Aufbruch an. Plötzlich haben es alle sehr eilig, alle scheinen überzeugt zu sein, daß Pela recht behalten wird. Sie müssen nur noch die Anlage einschalten, die Strahler richten und die Frequenzen abstimmen, und dann wird es Informationen regnen, wie sie es ausgedrückt hat. Endlich werden sie das Geheimnis des Dunklen lüften können.
Um so größer ist die Enttäuschung, als sie die ersten Zeichen und Spektren auffangen. Sie unterscheiden sich in nichts von denen, die die Antennen der Basis Pluto III seit Wochen aufnehmen. Rauschen in einigen wenigen Bereichen, ein Durcheinander von Zacken und verschlungenen Linien auf den Bildschirmen, der Erfolg ist gleich Null.
Tagelang lauschen und suchen sie, justieren die Antennen immer wieder neu, aber nichts verändert sich. Das Warten zerrt an den Nerven, und Kalo registriert, daß die anderen ähnlich reagieren, wie er stets zu reagieren pflegte. Die Hochstimmung klingt schnell ab, zerbröckelt unter dem Einfluß des Wartens, und die Enttäuschung kriecht aus allen Ecken.
Und doch ist jetzt einiges anders, als es früher war. Heute stehen sie unter Erfolgszwang.
Aber dieser dunkle Stern, von dem niemand weiß, woher er kommt und wohin er gehen wird, der seit Wochen Beunruhigung schafft, der Gerüchte provoziert und Ängste verursacht, er schweigt beharrlich.
Tonder war wohl der erste, der von dem Stern zu sprechen begann. Irgendwo in der Nähe der Saturnbahn machte er eine Bemerkung, die Kalo aufhorchen ließ. Tonder saß neben ihm, in dem freien Sessel, den bisher niemand benutzt hatte.
„Dieses Dunkle, das da auf unser Sonnensystem zukommt, fliegt einen absolut exakten Nullkurs", sagte er und beugte sich zu Kalo hinüber. „Nullkurs?" Kalos Gedanken überschlugen sich, unter natürlichen Bedingungen waren Raumkörper außerstande, sich auf einer Geraden zu bewegen.
Aber noch ehe er sich vergewissern konnte, ob er Tonder richtig verstanden habe, mischte sich Pela Storm ein. „Steht das außer Zweifel?" fragte sie, und in ihrer Stimme war ein verstecktes Schwingen, das den Grad ihrer Selbstbeherrschung deutlich machte.
Tonder nickte. „Das ist
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