Stern der Göttin
aber war er nicht bereit. Seine Rechte fuhr unter seinen Talar und zerrte die Spruchrolle heraus, die er für den Fall des Scheiterns als letzte Rettung mitgenommen hatte. Da ihm die linke Hand nicht mehr gehorchte, öffnete er die Rolle mit den Zähnen und sah, wie die Welt um ihn herum verschwand.
Ysobel starrte auf die leere Stelle, an der der Prophet eben noch gelegen hatte, und ärgerte sich, weil sie nicht sofort zugeschlagen hatte. Jetzt hatte sich ihr Feind mit einem starken Versetzungszauber aus dem Staub gemacht, und sie konnte nur hoffen, dass er an Laisas Pfeil krepieren würde. Trotz ihrer Enttäuschung hob sie die Hand, um ihre Katzenfreundin zu begrüßen.
Mit Salavars Flucht war auch Laisas Blindheit geschwunden, und sie schnurrte vor Freude, weil es ihr gelungen war, ihre Freunde zu retten. Fröhlich sprang sie ins Boot, umarmte Ysobel und zerrte dann an den Planen, die Rongis und Borlons Körper bedeckten. Der Katling zappelte schon wieder ein wenig, doch der Bärenmann lag noch in tiefster Bewusstlosigkeit.
»Der braucht noch ein paar Stunden, bis er wach wird!« Aus Ysobels Worten sprach ein gewisser Stolz auf ihre eigene Zähigkeit. Sie wusste aber selbst, dass sie es im Grunde nur Laisa zu verdanken hatte, den Feinden entkommen zu sein. Allein hätte sie nicht mehr tun können, als über Bord zu springen und zu hoffen, dass die Überraschung ihr einen gewissen Vorsprung verschaffte.
Daher umarmte sie nun Laisa und kümmerte sich dann um Rongi, der stöhnend erwachte und seinen Mageninhalt auswürgte. Laisa half, ihn über der Bordwand festzuhalten, und bemerkte dabei, wie die unnatürlich gestreckte Hand ihrer Freundin langsam wieder ihre richtige Form annahm.
»Warum hast du das bei den Flussmäulern nicht gemacht?«, fragte sie verwundert.
Ysobel blickte zuerst ihre Hand und dann Laisa an. »Hätte ich ja gerne. Aber die Kerle hatten ihre Ketten mit Silber verstärkt, und da konnte ich nichts tun. Zum Glück hat dieser komische Prophet sich mit normalen Lederfesseln begnügt, und die konnte ich abstreifen. Allerdings wäre es nicht nötig gewesen, da du uns auch so gerettet hast.«
»Du solltest dein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Als dieser Schurke von einem schwarzen Propheten sich auf einmal zwei Gegnerinnen gegenübersah, hat ihn die Panik gepackt, und er ist abgehauen. Ohne dich hätte er vielleicht doch noch die Gelegenheit gefunden, eine seiner Artefaktwaffen gegen mich einzusetzen.«
Laisa strich der Tivenga über den violetten Haarschopf und trat dann an die beiden länglichen Kisten. Mit einem Schwert der Freistädter brach sie den Deckel des Kastens auf, in dem sie Naika vermutete. Dann starrte sie hilflos auf den zu Stein erstarrten Körper der Nixe. Gleich darauf vernahm sie eine schwache Stimme in ihrem Kopf.
»Mach endlich diesen verdammten Sarg auf!«
Es dauerte einen Augenblick, bis Laisa begriff, dass der Besitzer dieser Stimme in der zweiten Kiste lag. Sie öffnete diese und sah auf einen Versteinerten herab.
»Leg deine Hand auf mich«, drängte die magische Stimme weiter.
Laisa gehorchte und konnte den Mann nun weitaus besser verstehen. »Wie hast du es geschafft, diesen elenden Salavar zu verjagen? In solcher Panik habe ich ihn noch nie erlebt!«
Es klang so verständnislos, dass Laisa kichern musste. »Wenn du mit Salavar den Propheten meinst – den hat mein Pfeil getroffen.«
»Unmöglich! Ein so mächtiger Magier weiß sich gegen jede unmagische Waffe zu schützen.«
Laisas Grinsen wurde womöglich noch breiter. »Es stimmt aber! Ich habe ihn genau ins Herz getroffen. Sein Versetzungszauber war wohl das Letzte, was er in seinem Leben getan hat.«
»Das glaube ich nicht. Salavar ist zäh. Es würde mich nicht wundern, wenn er jetzt in seinem Turm liegen und damit beginnen würde, sich magisch wiederherzustellen. Aber er ist auf jeden Fall gescheitert und gleichzeitig so geschwächt, dass er sich die nächsten Jahre verstecken muss, damit ihn nicht die eigenen Leute erledigen. Es gibt nämlich wenig Freundschaft unter den Magiern des Schwarzen Landes, musst du wissen.«
Einige Augenblicke fühlte Khaton nichts als die Erleichterung, dass der infame Plan des Schwarzlandmagiers gescheitert und es ihm selbst erspart geblieben war, als Gefangener nach Osten verschleppt zu werden. Doch schon bald wurde der Evari wieder ernst. »Sieh dich um, ob du auf dem Boot ein Artefakt findest, das so aussieht, wie du es meiner Vorstellung entnehmen kannst«,
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