Stern der Göttin
Erhaltungszauber versehen, damit du es immer frisch bekommst«, spottete einer.
Doch als er Laisas Blick auf sich gerichtet sah, trat er unwillkürlich einen Schritt zurück. »Wenn die könnte, würde sie uns die Haut vom Körper schälen. Das ist eine ganz Wilde, sage ich euch!«
»Uns kann das egal sein. Hauptsache, die Schwarzland-Magier zahlen gut für sie«, antwortete Tavuk und befahl, die Fütterung der Gefangenen zu beenden und sich zur Nachtruhe bereit zu machen.
»Ich will morgen wieder vor Sonnenaufgang anspannen, damit wir unser Ziel noch vor dem Abend erreichen, Männer. Jede weitere Nacht, die wir hier verbringen, erhöht die Gefahr, von Eirun-Dämonen aufgespürt zu werden.«
Im nächsten Moment ärgerte er sich, weil er seine bisher gut verborgene Angst preisgegeben hatte. Immerhin befand er sich nicht das erste Mal auf der westlichen Seite des Stromes, und bisher war nie etwas Schlimmeres passiert als ein gebrochenes Hufeisen. Der Mann, den sie aufsuchen wollten, war nicht nur ein guter Kunde, sondern auch ein heimlicher Verbündeter, obwohl er seiner magischen Farbe nach auf diese Seite des Stromes gehörte und eigentlich ein Feind hätte sein müssen.
Tavuks Blick blieb auf der Katzenfrau hängen. Sie war der beste Fang, den er in all den Jahren gemacht hatte, obwohl er auf der Jagd nach ungewöhnlichen Sklaven Risiken eingegangen war, an die die Angehörigen anderer Türme in Flussmaul nicht einmal zu denken wagten. Ihm aber war diese Beute praktisch in den Schoß gefallen.
Während Tavuks Stimmung sich hob, kaute Laisa mühsam auf ihrem Brot herum. Sie hätte alles, sogar ihre Goldmünze für einen weiteren Schluck Wasser gegeben. Der ätzende Staub, mit dem die Flussmäuler sie außer Gefecht gesetzt hatten, brannte noch immer in ihrer Lunge, und das trockene Brot blieb ihr im Schlund stecken.
»Verdammte Schufte! Die Erde sollte sie verschlingen«, schimpfte sie, als sie endlich das letzte Bröckchen hinuntergewürgt hatte.
Neben ihr regte sich Ysobel. »Die werden fett und reich nach Hause kommen, während auf uns ein ungewisses Schicksal wartet. Toghann – unser tawalischer Freund hier – kann von Glück sagen, wenn ihn einer der Anführer dieser Seite kauft, um ihn als angebliche Kriegsbeute die Ställe ausmisten zu lassen. Wahrscheinlicher aber landet er in den Bleiminen von Thilion, und dort erwartet ihn ein langes Sterben.«
Toghann hatte ihre Worte vernommen und zerrte wütend an seinen Ketten, sagte aber nichts.
Ysobel wartete, bis der Mann sich wieder etwas beruhigt hatte, dann fuhr sie fort. » Ilonah , die sich eben noch mit Toghann gestritten hat, und ich werden wahrscheinlich als Bettsklavinnen eines der hiesigen Schurken enden, und ihr zwei Katzenmenschen dürftet zum Amüsement der Leute hier in Käfigen ausgestellt und mit faulen Eiern beworfen werden.«
»Ich brauche nur einen Arm freizubekommen, dann erledige ich die Kerle«, antwortete Laisa, deren steigende Wut langsam alle Vernunft wegspülte.
»Das glaubst du doch selbst nicht, Katzenfrau! Unser Schicksal ist besiegelt. Wahrscheinlich wäre ein schneller Tod gnädiger als das, was auf uns wartet«, antwortete Ysobel.
Laisa war nicht bereit, sich so schnell aufzugeben, und wollte daher so viel wie möglich über die Welt erfahren, in die es sie verschlagen hatte. Ilonah und Toghann waren jedoch nicht bereit, auf ihre Fragen einzugehen, und Rongi wusste nicht viel mehr, als dass seine Leute in einem schönen, großen Wald lebten, in dem es sich wunderbar jagen ließ. Sein Volk bekam alle sechs mal sechs Jahre Besuch von einer Abgesandten ihrer Göttin Ilyna, die auch von den blauen Menschen der Wardan-Nation angebetet wurde. Sonst aber hatten sie mit niemandem Kontakt.
Ysobel hingegen erwies sich als ein Quell des Wissens. Obwohl sie nur wenig älter sein konnte als Laisa, war sie weit herumgekommen und konnte viel berichten. Von ihr erfuhr Laisa, dass die Weltgegend, in die sie geraten war, die Dämmerlande genannt wurden, weil in ihnen die Farben der Götter nicht mehr so hell leuchteten wie in deren eigenen Reichen im Osten oder in jenen der schrecklichen Dämonen des Westens. Sie lernte, dass es sechs Farben gab, die jeweils einem Gott zugeordnet waren. Die Völker, die diesen Gott anbeteten, trugen ebenfalls dessen Farbe in sich. Zu den Guten gehörten die Völker der violetten Göttin Linirias, der blauen Göttin Ilyna und des schwarzen Gottes Giringar, während die bösen Völker im Westen sich dem
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