Stern der Göttin
grausamen Handlung enden lassen. »Er ist unser Gefangener. Lasst ihn binden, damit der Prinz über ihn urteilen kann.«
Etliche der Krieger, die mit Kaolu gekommen waren, atmeten auf. Auch wenn sie zuletzt seinen Befehlen nicht mehr gehorcht hatten, so wollten sie doch nicht zu seinen Henkern werden. Ehe der Offizier sich versah, lag er gefesselt auf dem Boden und beschimpfte alle, angefangen von Laisa über die Priester bis hin zum letzten Soldaten.
»Wollen wir uns sein Geschwätz wirklich weiter anhören?«, fragte Laisa den Oberpriester.
Dieser schüttelte den Kopf und gab einem seiner Untergebenen einen Wink. Der Soldat riss ein Stück Stoff von Kaolus Kleidung und stopfte es dem Mann als Knebel in den Mund. Als er sich wieder erhob, versetzte er dem Offizier noch einen Fußtritt. »Du wirst so lange geknebelt bleiben, bis deine Höflichkeit wieder zurückkehrt, und wenn du in der Zwischenzeit verhungerst.«
Kaolu würgte und schnaubte, aber er brachte kein Wort mehr hervor.
Hubai befahl drei seiner eigenen Leute, den Gefangenen zu bewachen, und wandte sich dann mit einer Verbeugung an Laisa. »Was sollen wir Eurer Meinung nach tun? Hierbleiben können wir nicht. Die Schlucht besitzt nur einen einzigen Ausgang. Waihe bräuchte nur zwei- oder dreihundert Mann zu schicken, um uns hier von der Außenwelt abzuschneiden.«
Ganz so schlimm sah Laisa die Lage nicht, denn zu Fuß und mit ihren Pferden am Zügel hätten die Männer die umgebenden Berge überwinden können. Aber sie sah selbst ein, dass es wenig Sinn machte, sich hier zu verstecken. Der Kampf um Tanfun musste offensiv geführt werden.
»Wir sollten nach Nordwesten ziehen, um zu Punji zu gelangen. Ihr wollt ihm doch sicher Eure Ergebenheit bekunden.«
Hubai nickte erleichtert. »Das ist mein größter Wunsch. Außerdem wären wir dann in meiner eigenen Provinz, und dort stehen die Soldaten zu mir. Wenn ich sie dazu auffordere, werden sie für den Erbprinzen kämpfen. Ich kann auch die Bauern bewaffnen, um unsere Streitkräfte zu verstärken. Wir werden sie brauchen, wenn Waihe wirklich Gesindel aus den Freistädten als Söldner anwirbt.«
»Dann sind wir uns einig. Wir brechen morgen früh auf.« Laisas Augen leuchteten zufrieden. Sie hatte mehr erreicht als erwartet und war gespannt, wie sich die ganze Sache weiterentwickeln würde.
☀ ☀ ☀
Ein Trupp von mehr als einhundert Reitern erregte mehr Aufmerksamkeit als eine allein durch das Land schleichende Katzenfrau. Immer wieder kamen Leute heran, fragten, was geschehen sei, und jubelten, als sie hörten, das Hubai sich Prinz Punji angeschlossen hatte. Viele beließen es jedoch nicht nur bei Jubel, sondern holten alles, was sich als Waffe verwenden ließ, und schlossen sich der Schar an.
Um Laisas Anwesenheit zu erklären, hatte der Oberpriester ein Plakat beschrieben, das einer seiner Untergebenen vor ihr hertragen musste und auf dem geschrieben stand, dass es sich bei ihr um kein wildes Ostgeschöpf, sondern um eine Hohe Dame aus Meandirs Gefolge handeln würde.
Während des Marsches unterhielt Laisa sich mit dem Oberpriester, der seine Neugier kaum zu bezwingen vermochte. Er wollte alles über Punjis Flucht und die Leute, die bei ihm waren, wissen. Die Augen des alten Mannes weiteten sich vor Staunen, als er hörte, dass ein Bärenmensch aus Borain und eine leibhaftige weiße Nixe zu Laisas Gefährten zählten. Schließlich fragte er verwirrt, weshalb denn nicht Talien Wesen seiner eigenen Farbe geschickt hätte, um Tanfun zu retten.
»Das kann ich dir leider nicht beantworten. Meine Freunde und ich sind nur durch Zufall in dieses Land gekommen.« Laisa ließ sich von einer zögernd näher kommenden Frau eine Schüssel mit Milch reichen und trank diese genussvoll aus, bevor sie weitersprach und dabei berichtete, wie sie und ihre Freunde Tedenrhol besiegt hatten.
Unterdessen war Hubai herangekommen und hatte einen Teil ihres Berichts mit angehört.
»Ihr habt diesen entsetzlichen Magier getötet?«, rief er. »Welch eine Freude! Bei Talien, Ihr wurdet wirklich von den Göttern gesandt. Seit Generationen hat dieser Kerl den Norden Tanfuns gepeinigt und Abgaben verlangt, ohne dass wir etwas gegen ihn hätten ausrichten können.«
Er umarmte Laisa voller Freude, ließ sie dann los und rief allen seinen Leuten zu, dass die schreckliche Gefahr aus dem Norden beseitigt wäre.
Der Oberpriester dachte kurz nach und forderte dann von seinem Untergebenen eine unbeschriebene Seidenbahn, Pinsel
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