Stern der Göttin
Hand entgegen, damit sie ihm aufs Pferd helfen konnte. Von dem munteren Burschen, der am Vortag mit ihr über das Land geritten war, war nichts mehr übrig. Ihm war übel, und er stöhnte bei jedem Schritt der Stute.
Laisa gönnte es ihm. Das war eine der Lehren, die jeder Katling machen musste. Als Greedh’een stopfte man sein Essen nicht in sich hinein wie ein Tier, sondern schälte sorgsam Haut und Knochen heraus, um den Magen nicht zu belasten. Das sagte sie Rongi auch.
Dieser ließ ihren Vortrag mit hängenden Ohren über sich ergehen. Aber seine Miene hellte sich auf, als Laisa ihm verriet, dass sie dieselben Erfahrungen hatte machen müssen.
Gegen Mittag ging es Rongi schon besser. Allerdings war er so durstig, dass er bei jedem Wasserlauf, auf den sie trafen, aus dem Sattel sprang, rasch ein paar Schlucke trank und dann hinter der Stute herhetzte, bis er wieder auf deren Rücken springen konnte. Für ihn war es ein Spiel, und Laisa ertappte sich dabei, dass sie es ein paar Mal mitmachte.
Am Abend des dritten Tages näherten sie sich ihrem Ziel, dem großen Wald von Tanfun. Trotz der mächtigen Stämme und den ausladenden Kronen mit ihren handtellergroßen Blumen und Früchten, die an Waldbirnen erinnerten, aber viel besser schmeckten, wirkte er seltsam licht. Es gab nur wenig wild wucherndes Unterholz, denn zumeist wechselten sich die Moospolster mit Beerenfrüchten ab, die, wie Spuren zeigten, von den Tanfunern gesammelt wurden.
Laisa spürte noch das magische Grün, das diesen Wald einst erfüllt haben musste, nun aber verblasst war. Auch deswegen gefiel dieser Forst ihr besser als der Wald im Norden. Sie stellte sich vor, welche Freude es sein musste, hier zu leben und zu jagen. Bei dem Gedanken erinnerte sie sich daran, dass sie auf der Jagd war, aber nicht auf die kleinen Hirsche, die zwischen den Bäumen weideten, und auch nicht auf die flinken Baumhörnchen. Das Wild, das sie suchte, hielt sich nur wenige Wegstunden vor ihr in einer von Menschen erbauten Hütte auf.
Hubai hatte nicht sagen können, wann Waihe sich mit den Freistädtern treffen wollte. Wenn sie Pech hatte, war dies längst geschehen, und sie würde dem Usurpator bis in die Hauptstadt folgen müssen. Aber sie fühlte, dass dies nicht nötig sein würde. Die Bäume selbst schienen ihr zuzuflüstern, wo sie Waihe finden konnte.
Ein Problem war jedoch die Nacht. Die Dunkelheit machte zwar Laisa und Rongi nichts aus, doch solange nur der kleinste der sechs Monde am Himmel stand und sein unangenehm düsteres Licht auf diesen Teil der Welt warf, ging die Stute nur ungern weiter. Sie blieb immer wieder stehen, um den Boden vor sich mit ausgestrecktem Huf zu untersuchen. Daher stieg Laisa bald ab und führte das Tier am Zügel.
Zunächst wies der Geruch nach Rauch und bald darauf ein ferner Feuerschein, der zwischen den Stämmen flackerte, Laisa den Weg. Kurz darauf sah sie sich einer weiteren Schwierigkeit gegenüber. Zwei der großen Monde stiegen in voller Größe auf und beleuchteten die Umgebung beinahe so hell wie die Sonne. In diesem lichten, unterholzlosen Wald gab es nichts, hinter dem Laisa Vakka hätte verstecken können. Daher hielt sie ein ganzes Stück von dem Feuer entfernt an und drückte Rongi die Zügel in die Hand.
»Du bleibst jetzt hier und gibst auf unser Pferdchen acht. Aber sobald ich rufe, kommst du wie der Wind angeritten!«
Rongi nickte, auch wenn es ihm nicht passte, zurückgelassen zu werden. Doch er verstand, dass sie die Stute nicht einfach an einen Baum binden und allein lassen konnten. Sie würde wiehern, um nach Artgenossen zu rufen, und damit ihre Anwesenheit verraten.
Laisa klopfte dem Katling auf die Schulter und lächelte ihm zu. »Es ist wichtig, dass du meinen Ruf nicht überhörst!«
»Das tue ich sicher nicht.« Rongi machte sich so lang, dass er ihr bis an die Brust reichte, und bemühte sich, zuverlässig auszusehen. Dann aber lenkten einige Büsche mit im Mondschein schimmernden Beeren seine Aufmerksamkeit ab.
Laisa zupfte sich ebenfalls ein paar der Früchte ab, als ihr plötzlich etwas einfiel. »Du hast doch Waihe schon gesehen und seine Witterung in die Nase bekommen?«
»Ja, habe ich«, antwortete Rongi.
»Dann kannst du mir auch sagen, ob er hier ist. Du«, wandte sie sich an Vakka, »bleibst inzwischen brav hier und rührst dich nicht, verstanden?«
Die Stute nickte, als wäre sie ein Mensch, und legte sich dann so hin, als wolle sie schlafen. Einen Augenblick lang wartete
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