Stern der Göttin
sein, wenn er hinterher genug Geld hat, um halbwegs leben zu können. Wir hingegen …«
Morkok verlor sich in Zukunftsvisionen, die weder Waihe noch Kaoni interessierten. Der Thronräuber stand auf und gönnte dem Freistädter ein knappes Nicken.
»Da wir uns so weit einig sind, werde ich mich jetzt zurückziehen. Die Einzelheiten können wir morgen besprechen. Nur eines ist wichtig: Ich brauche noch weitere Soldaten und dies so schnell wie möglich. Das liegt auch in deinem Interesse, mein Freund. Werde ich gestürzt, ehe ich meine Herrschaft mit eurer Hilfe festigen kann, gibt es niemanden, der dich und deine Sumpfratten belohnen könnte.«
Mit dem stolzen Gefühl, seinem Verhandlungspartner gezeigt zu haben, wer hier das Heft in der Hand hielt, verließ Waihe den kleinen Saal mit seinen rustikalen Bänken und Tischen und den an der Wand hängenden Jagdtrophäen. Als er sein Schlafgemach betrat, hatte sein Leibdiener dort bereits alles für seine Nachtruhe zurechtgelegt. Wie er befohlen hatte, spendete eine kleine Öllampe genügend Licht. Waihe mochte nicht im Dunkeln schlafen, sondern wollte seine Umgebung überblicken können, wenn er erwachte.
Ein Becher erwärmten tanfunischen Weines stand ebenfalls bereit. Waihe trank einen Schluck und sah sich dabei in dem ungewohnten Raum um. Das Bett war genau wie im Palast von Tanfunrah aus wohlriechenden Edelhölzern geschnitzt und mit weichen Matratzen belegt. Aber die Decke bestand aus einem großen Hirschfell, das ein sagenhafter König der Vorzeit erbeutet hatte. Heutzutage gab es keine solch mächtigen Tiere mehr, und Waihe fragte sich, ob die Decke deswegen hier lag, um späteren Generationen ihre Bedeutungslosigkeit klarzumachen. Der Gedanke hätte ihn beinahe dazu gebracht, das Ding zu packen und in eine Ecke zu werfen. Er beherrschte sich jedoch und begann, sich auszuziehen. Mit einem Mal kam ihm die Luft im Zimmer so stickig vor, dass er kaum mehr atmen konnte. Rasch öffnete er das Fenster – sehr zum Vergnügen der Katzenfrau, die direkt über ihm auf dem Dach lag und ihn mit ausgefahrener Kralle hätte erreichen können.
Die Feuer brannten langsam nieder, und die Männer wickelten sich in ihre Decken. Aus Gesprächsfetzen, die bis zu Laisa gedrungen waren, hatte sie herausgehört, dass der Freistädter Morkok bereits mehr als tausend Bewaffnete an der Mündung des Bärenflusses in den Großen Strom zusammengezogen hatte. Von da aus konnten sie innerhalb von drei Tagen Tanfun erreichen. Dabei sollten diese Männer nur die Vorhut eines großen Heeres sein, mit dem Waihe seine Herrschaft behaupten wollte. Selbst den tanfunischen Leibwachen des Thronräubers war das nicht geheuer. Aber sie hielten an ihrer Treue zu Waihe fest und hofften, dass der Kuchen groß genug war, damit auch für sie ein Stück abfiel.
Laisa lernte an diesem Abend einiges über die menschliche Schlechtigkeit und Gier hinzu, und sie ahnte, dass die Leute, die sich hier zusammengefunden hatten, vor allem eines einte: Sie betrachteten Tanfun als eine Kuh, die sie unbesorgt melken konnten. Je mehr Milch, sprich Gold, dabei abfiel, umso besser war es in den Augen der Freistädter, aber auch der meisten jener Tanfuner, die Waihe hierher begleitet hatten.
Diese Pläne wollte Laisa ihnen gründlich versalzen. Sie wartete, bis der Großteil der Leute schlief, und horchte dann in Waihes Zimmer hinein. Der gleichmäßig ruhige Atem des Usurpators zeigte, dass ihn seine Sorgen nicht bis in die Träume verfolgten. Als nur noch die Wachen dem Schlaf widerstanden, stieg sie vom Dach und schlüpfte durch das Fenster in den Raum, in dem sich der Thronräuber aufhielt. Dort blies sie als Erstes die Öllampe aus, deren Schein nur ihrem Feind nützen konnte. Danach schlitzte sie einige der prachtvollen Seidenroben mit ihren scharfen Krallen auf und fertigte Bänder, um ihn zu fesseln, sowie einen Knebel, damit er die schlafenden Krieger nicht mit seinem Geschrei warnen konnte.
Der Rest war ein Kinderspiel. Ein fester Griff am Hals brachte Waihe dazu, den Mund zu öffnen. Laisa stopfte ihm mit der freien Hand den Knebel zwischen die Zähne, packte ihn, noch bevor er richtig wach geworden war, und wickelte ihn in die Felldecke ein, unter der er schlief. Waihe versuchte zwar noch, einen Arm freizubekommen, doch Laisa griff zu den vorbereiteten Fesseln und verschnürte ihn so, dass er sich nicht mehr rühren konnte. Sie sicherte den Knebel durch einen weiteren Stoffstreifen, wuchtete sich den Mann
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