Stern der Leidenschaft
Zweifel an ihrer irischen Herkunft, selbst wenn die Callaghans inzwischen waschechte Amerikaner geworden waren. Brittanys Großvater hatte in Kansas aus eigener Kraft eine Farm aufgebaut und sein Lebenswerk schließlich Brittanys Vater weitervererbt. Sie und ihre drei Brüder waren dort aufgewachsen. Die irische Abstammung ihrer Familie und leider auch die damit verbundene Familiengeschichte war längst in Vergessenheit geraten. Ihr Großvater hatte seine Eltern schon so früh verloren, dass er sich nie an deren Erzählungen erinnern konnte. Die Vornamen der Callaghan-Kinder deuteten denn auch nicht auf die irischen Wurzeln der Familie hin. Sie gaben vielmehr Anlass zu der Vermutung, dass Brittanys Eltern ein etwas wildes Leben geführt hatten, als sich unverhofft Nachwuchs einstellte. Niemals hätten sie sich selbst als Hippies bezeichnet. Sie nannten sich allerdings gern »Freigeister«, was immer das auch bedeuten mochte. Beim Wandern in der unberührten Natur waren sie einander damals begegnet und hatten sich schon bald darauf auf eine Reise durch aller Herren Länder gemacht. Das erste Kind erblickte das Licht der Welt, als sie gerade per Anhalter durch England fuhren. Dieses Land beeindruckte die Callaghans so sehr, dass sie ihre Söhne nach den englischen Provinzen York, Kent und Devon nannten – in dieser Reihenfolge.
Das letzte Kind, ein Mädchen, wurde dann gleich nach dem ganzen Vereinigten Königreich, Brittany, genannt. Den Hinweis, dass es sich dabei um die englische Bezeichnung für eine Gegend in Nordfrankreich und nicht um eine Abkürzung für »Großbritannien« handelte, hatten ihre Eltern beleidigt abgetan. Brittany stand mit beiden Beinen fest im Leben. Man nahm es, wie es kam, und vielleicht machte es gelegentlich sogar Spaß. Das sollte eigentlich ein Witz sein, traf aber erstaunlich genau die tatsächlichen Gegebenheiten in ihrem bisherigen Leben. Im Grunde gefiel ihr die Arbeit in den beiden Jobs. Sie fand Befriedigung darin, ihre Sache jederzeit gut und gründlich zu machen. Andererseits fehlte ihr manchmal einfach etwas Zeit, um all die kleinen Dinge zu tun, die für andere Menschen ganz selbstverständlich zum Alltag gehörten. Aber sie war nichts anderes als harte Arbeit gewöhnt. Wer auf einer Farm aufwuchs, ging morgens zur Schule und musste dann am Nachmittag zu Hause kräftig mit anpacken. Schon damals war an Freizeit kaum zu denken gewesen, und seit Brittany die Farm verlassen hatte, arbeitete sie beinahe ununterbrochen.
Für Tom nahm sie sich allerdings Zeit. Seit vier Monaten kannten sie sich nun, waren jeden Samstagabend miteinander ausgegangen und verbrachten alle Sonntage gemeinsam. Als viel beschäftigter leitender Angestellter, der oft bis in die Nacht hinein arbeitete, hatte auch er nicht allzu viel Zeit. Deshalb beklagte er sich auch nie, dass sie einander nicht täglich sahen, war vielleicht sogar froh, dass Brittany ihrerseits nicht auf häufigere Treffen drängte. Von Heirat hatte er noch nicht gesprochen, doch Brittany ging fest davon aus, dass das bald geschehen würde. Deshalb konnte sie sich auch vorstellen, für ihn ihre Unschuld zu opfern.
Es war schon recht ungewöhnlich, dass sie in ihrem Alter noch als Jungfrau herumlief, und dieser Umstand hatte ihr schon peinliche Momente beschert. Eigentlich kam ihre Jungfräulichkeit nur zur Sprache, wenn einer der jungen Männer, mit denen sie ausging, sie zu vorgerückter Stunde bedrängte, mit ihm zu schlafen. Ihr Geständnis führte dann unweigerlich zu Gelächter oder ungläubigem Kopfschütteln. Tom wusste nichts von Brittanys Unerfahrenheit. Er nahm unweigerlich an, sie sei nur besonders vorsichtig. Brittany hatte nichts dagegen, sich von einem Mann küssen zu lassen oder prickelnde Zärtlichkeiten auszutauschen. Aber um sich jemandem ganz hingeben zu können, war schon etwas mehr als bloße Sympathie vonnöten. Zumindest für sie. Für sie war es wichtig, dass sie zuerst echte Gefühle für jemanden hegte – tiefe Gefühle –, und die spürte sie nun in sich wachsen …
»Heute ist es also endlich so weit?«, fragte Jan mit einem viel sagenden Lächeln. Sie stand in der offenen Tür zu Brittanys Zimmer.
»Ja«, antwortete Brittany und schaffte es sogar irgendwie, nicht rot anzulaufen. »Gott, wie aufregend!«
Brittany verdrehte die Augen. »Lass uns nicht darüber reden, sonst bekomme ich doch noch kalte Füße.« »Kalte Füße? Mich wundert nur, dass sie dir nicht längst abgestorben sind, so lange, wie du
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