Stern der Riesen
freien Blick auf die purpurrote, von einzelnen Wolken bedeckte Oberfläche von Queeth erlaubte. Vor und über der Wand drohte die Masse der Insel mit einer Reihe von Metallkonstruktionen, Blasen und Vorsprüngen, die aufeinander zuliefen und sich in einem leichten Bogen nach oben in der Entfernung verloren.
»Wir... werden also die Wahrheit nicht vor ihnen verbergen können«, sagte Calazar endlich, ohne dabei den Kopf zu wenden.
»Denken Sie daran – die Terraner haben als erste erkannt, daß die Jevleneser möglicherweise die Shapieron zerstören würden, um hinterher der Erde die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben«, erinnerte ihn Garuth. »Darauf wären die Thurier nie gekommen. Seien wir doch mal ehrlich – Terraner und Jevleneser denken sehr ähnlich, während das ganymedische Gehirn völlig anders arbeitet. Wir sind keine Jäger, und wir haben nie die Fähigkeit entwik-kelt, Jäger aufzuspüren.«
»Und aus dem gleichen Grund könnte es sich herausstellen, daß wir die Terraner brauchen , wenn wir ganz genau herausbekommen wollen, was die Jevleneser im Schilde führen«, fügte Shilohin hinzu. »Sind Sie der Lösung des Problems denn irgendwie nähergekommen, warum sie jahrelang die Berichte über die Erde verfälscht haben?«
Calazar wandte sich von der Wand ab und sah sie wieder an. »Nein«, gab er zu.
»Jahrelang«, wiederholte Garuth betont. »Und Sie schöpften keinerlei Verdacht, bis Sie die Funksprüche von der Rückseite des Monds auffingen.«
Calazar überlegte eine Weile, seufzte dann und nickte resigniert. »Sie haben recht – wir schöpften keinerlei Verdacht. Bis vor kurzem waren wir noch der festen Überzeugung, daß die Jevleneser sich als enthusiastische Studenten unserer Wissenschaft und Kultur gut in unsere Gesellschaft integriert hätten. Wir haben sie als Mitbürger betrachtet, die sich zusammen mit uns auf anderen Welten ausbreiten würden...« Er zeigte nach unten. »Auf dieser zum Beispiel.
Wir haben ihnen sogar dabei geholfen, ihnen ihren autonom verwalteten und völlig selbständig regierten Planeten einzurichten. Er sollte die Wiege einer neuen Kultur werden, die als Partner zusammen mit uns die Galaxien durch-queren sollte.«
»Na, irgend etwas ist ja wohl völlig schiefgelaufen«, kommentierte Shilohin. »Vielleicht brauchen wir ein Ter-ranergehirn, wenn wir wissen wollen, was das war und warum es so gekommen ist.«
Calazar sah sie noch einen Moment lang an und nickte dann wieder. »Offiziell ist Fremua Showm für unsere Verhandlungen mit der Erde zuständig«, sagte er. »Wir sollten uns mit ihr darüber unterhalten. Ich will sehen, ob ich sie sofort herbringen lassen kann.«
Er drehte sich um und sagte mit etwas lauterer Stimme:
»VISAR, sehen Sie nach, ob Fremua Showm verfügbar ist.
Wenn ja, führen Sie ihr eine Aufzeichnung unseres Gesprächs hier vor und fragen Sie sie, ob sie herkommen kann, sobald sie es sich angesehen hat.«
»Wird erledigt«, bestätigte VISAR.
Nach einer kurzen Stille bemerkte Shilohin: »Nach dem, was ich von ihr in der Aufzeichnung des Treffens in Vranix gesehen habe, hat sie für die Menschen nicht allzu viel übrig.«
»Sie hat den Jevlenesern nie getraut«, antwortete Calazar. »Ihre Gefühle schließen offensichtlich auch die Terraner ein. Vielleicht ist das nicht weiter überraschend.« Nach einer weiteren kurzen Stille bemerkte er: »Queeth ist eine interessante Welt; auf einem großen Teil seiner Oberfläche breitet sich eine intelligente Rasse aus. Die Jevleneser ha-
ben in der Vergangenheit schon oft mit uns zusammengearbeitet, um ähnliche Planeten in das System zu integrieren. Sie besitzen anscheinend eine angeborene Begabung für den Umgang mit primitiven Rassen. Die Ganymeder hätten da weit mehr Schwierigkeiten. Ich werde Ihnen ein Beispiel dafür zeigen. VISAR, bitte noch einmal das Bild, das ich mir vorhin angesehen habe.«
Ein dreidimensionales Bild erschien mitten in dem Raum. Es zeigte von oben eine Stadt, in der behauene Steine oder gebrannte Lehmziegel zu groben Gebäuden in seltsam geschwungenen Formen verarbeitet waren. Sie standen dicht gedrängt um ein größeres und beeindruckenderes Bauwerk mit Stufen und Säulen, das sich am Gipfel einer Anordnung von Freitreppen befand, die auf allen sechs Seiten zu ihm hochführten. Als Garuth sich das Gebäude ansah, erinnerte es ihn vage an Bilder von alten Tempeln, die er während seines Aufenthalts auf der Erde gesehen hatte. Der Platz am Fuß der Treppen war
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