Stern der Riesen
Akklimatisierungsschwierig-keiten in einer extraterrestrischen Umgebung zu erklären und will deshalb nichts weiter darüber sagen.« Seine Stimme nahm einen bedrohlicheren Tonfall an. »Ich muß Sie aber davor warnen, Ihre verleumderischen Anwürfe außerhalb der Räume dieser Anlage zu wiederholen. In diesem Fall sähe ich mich gezwungen, die Angelegenheit weit ernster zu nehmen, und das hätte für Sie persönlich und für Ihre weitere berufliche Karriere keine angenehmen Konsequenzen. Ich drücke mich wohl klar genug aus.« Damit drehte er sich um und verließ in königlicher Haltung den Raum. Die anderen drei tranken hastig aus und verschwanden ebenfalls.
An diesem Abend, seinem letzten in Bruno, war Pacey zu verwirrt, frustriert und wütend, um einschlafen zu können.
Er blieb in seinem Zimmer auf, lief hin und her und überdachte die bisherigen Ereignisse in allen Einzelheiten. Er prüfte die Situation zuerst von einem Blickwinkel aus, dann von einem anderen, aber es gelang ihm nicht, eine Erklärung zu finden, in die alles hineinpaßte. Wieder war er versucht, Alaska anzurufen, aber er unterdrückte den Wunsch.
Die Ortszeit-Uhr zeigte schon fast auf zwei, als jemand leise an seine Tür klopfte. Erstaunt stand Pacey von dem Stuhl auf, auf dem er brütend gesessen hatte, und ging hin, um aufzumachen. Draußen stand Sobroskin. Der Russe glitt herein, wartete, bis Pacey die Tür geschlossen hatte, griff dann in seine Jacke und holte einen großen Umschlag heraus, den er wortlos weitergab. Pacey machte ihn auf.
Darin befand sich ein rosa Ordner mit einem hellroten Rand. Er war folgendermaßen betitelt: VERTRAULICH.
BERICHT 238/2G/NTS/FM. NORMAN H. PACEY –
PERSÖNLICHKEITSPROFIL UND BEMERKUNGEN.
Pacey sah ungläubig darauf, machte den Ordner auf, blätterte ihn schnell durch und sah auf. »Wie haben Sie das in die Finger bekommen?« fragte er heiser.
»Da findet sich schon ein Weg«, sagte Sobroskin vage.
»Waren Sie darüber informiert?«
»Ich... hatte Grund zu der Annahme, daß möglicherweise so etwas existiert«, sagte Pacey vorsichtig.
Sobroskin nickte. »Ich dachte, Sie wollten das vielleicht an einem sicheren Platz verwahren oder auch verbrennen.
Es war außerdem nur noch eine weitere Kopie da, die ich zerstört habe. Sie können also beruhigt sein. Dieser Bericht wird nicht dorthin kommen, wohin er kommen sollte.«
Pacey sah wieder auf den Ordner. Er war vor Überraschung sprachlos. »Außerdem bin ich auf einen Band von äußerst merkwürdigen Sitzungsprotokollen der Delegationskonfe-renzen gestoßen – ich hatte das alles ganz anders in Erinne-
rung. Ich habe ihn durch die Protokolle ersetzt, die wir beide gesehen und genehmigt haben. Sie haben mein Wort darauf, daß das die Protokolle sind, die nach New York geschickt werden. Ich habe eigenhändig die Kuriertasche versiegelt, bevor sie nach Tycho abging.«
»Aber... wie?« war das einzige, was Pacey herausbrachte.
»Ich habe nicht die leiseste Absicht, Ihnen das zu erzählen.« sagte der Russe kurz, aber seine Augen blitzten dabei.
Plötzlich grinste Pacey, als bei ihm endlich der Groschen fiel, daß nicht jeder Mensch sein Feind war. »Vielleicht ist es an der Zeit, daß wir uns zusammensetzen und unsere Notizen vergleichen«, sagte er. »Wahrscheinlich habe ich hier keinen Wodka. Wie wär's mit Gin?«
»Genau die Überlegung, die auch ich angestellt habe«, sagte Sobroskin und zog ein Bündel von Notizen aus einer Innentasche. »Gin wäre ausgezeichnet – ich mag ihn sehr.«
Er hängte sein Jackett neben die Tür und machte es sich in einem der Sessel bequem, während Pacey Gläser aus dem Nachbarraum holte. Bei dieser Gelegenheit sah er nach, ob Eis in genügenden Mengen da war. Er hatte das Gefühl, es würde eine lange Nacht werden.
19
Garuth hatte achtundzwanzig Jahre seines Lebens auf der Shapieron verbracht.
Auf dem alten Planeten Minerva hatte eine Gruppe von Wissenschaftlern ein extensives klimatisches und geologi-sches Programm empfohlen, um die vorausgesagte wachsende Konzentration von Kohlendioxyd unter Kontrolle zu bringen. Das Projekt wäre jedoch extrem kompliziert gewesen, und nach dem Bau von Simulationsmodellen zeigte sich, daß ein hohes Risiko bestand, die Unbewohnbarkeit des Planeten zu beschleunigen statt zu verzögern, indem der Treibhauseffekt gestört wurde, der die Existenz von Leben auf Minerva selbst in der weiten Entfernung von der Sonne ermöglichte. Um sich gegen dieses Risiko abzudek-ken,
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