Stern der Ungeborenen
im Bereiche des Dschungels verschwanden.
Ich muß bekennen, Io-Fagòr hatte recht gehabt. Es
war
ein Phänomen. Und wären nicht so viele nüchterne Köpfe rings um mich Zeugen dieses Phänomens gewesen, ich hätte es leicht für einen Anfall von Delirium meinerseits halten können oder, vornehmer gesagt, für eine Vision. Katzen sind sehr individualistische Tiere. Sie sonnen sich einzelweise vor den Haustüren.
Die Katze schnurrt, wenn ihr behaglich zu Mute ist, in sich selbst geschlossen und versammelt, indem sie mit deutlichster Ablehnung die Umwelt nicht zur Kenntnis nimmt. Ihre Egozentrik ist unbekehrbar, daher ist sie auch der einsamste aller Jäger. Sie läßt keinen Weidmannskollegen am Jagdvergnügen und an der Mausbeute teilnehmen. Ihre Selbstverehrung und Selbstgerechtigkeit geht soweit, daß eine Katzenmutter ein Junges verstößt, wenn eine andere Kätzin es abgeleckt hat. Das ist die Katze. Und nun, wer hat jemals schon eine Herde von Katzen gesehen? Der Anblick einer Armee von Katzen verschlägt den Atem. Wir oben schwiegen tiefbeklommen. Und auch die Dschungelbauern unten schwiegen. Selbst die albernen Riesenhühner hatten ihr Gackern eingestellt.
»Sollte die Katze im astromentalen Weltalter ein soziales Tier geworden sein?« fragte ich mehr mich selbst als einen andern.
»Katze ist Katze«, sagte Io-Fagòr. »Sie kann wohl niemals etwas anderes gewesen sein. Sie ist nicht bildsam, nicht sprachbegabt, nicht kommunikativ, nicht einfühlend wie der Hund, doch sie ist verdammt begabter als er …«
»Das aber, was ich dort sehe«, verwunderte ich mich, »ist eine gemeinschaftliche Unternehmung der Katzen. Ich hätte dergleichen nicht für möglich gehalten. Eine solche kollektivistische Unternehmung des Instinktes muß einen Zweck haben. Kennt man den Zweck?«
»Der Zweck ist sehr einfach«, erwiderte Io-Fagòr, »die Katzen verlassen uns.«
Ich mußte den Kopf schütteln: »Sind die Menschen heute so große Liebhaber der Katzenwelt geworden«, erkundigte ich mich, »die sich durchaus nicht veredelt hat? Im Gegenteil, bei uns gab’s viel feinere Spezies wie Angora, Perser und Siamesen. Wird man diese gewöhnlichen Typen vielleicht wegen ihrer Nützlichkeit vermissen, da man ja unter der Erdoberfläche wohnt, wo es allerlei überlebende und sogar vergrößerte Nagetiere geben mag? …«
»Wer denkt daran«, lachte Io-Fagòr kurz, »das Phänomen ist ein allgemein tellurisches Omen, das von den meisten anderen Dschungeln ebenfalls berichtet wird.«
»Omen?« warf ich ein. »Zu meiner Zeit sagte man, Ratten verlassen das sinkende Schiff, nicht Katzen.«
»Soweit wollen wir nicht denken, Seigneur«, sagte Io-Fagòr plötzlich stolz und abweisend. Ich war zu weit gegangen.
Nicht grundlos hatte Io-Fagòr von den bildsamen, sprachbegabten, kommunikativen Hunden gesprochen. Allgemach fand sich nämlich ein ganzes Rudel von Surs hier an der Brustwehr ein. Das heißt, unser eigener Hausgenosse Sur war gar nicht unter diesen Exemplaren; glücklicherweise hatten die Humanitätsvereine die Hunde des Zeitalters noch nicht in den Gebrauch des Reisegeduldspiels eingeweiht. Es wirkte auf mich beinahe schamlos, wie wenig sich diese Hunde durch Farbe, Fell, Schnauze und andere körperliche Merkmale voneinander unterschieden. Die Vereinheitlichung aller Hunderassen hatte dazu geführt, daß man sich die Physiognomien merken mußte, um die einzelnen auseinanderzuhalten. Es lag in dieser Gleichmäßigkeit dieselbe Prätension verborgen wie in der bellenden Beherrschung der Monolingua. Ich wiederhole das schon einmal gebrauchte Wort »Angemenschtheit«, um diese sowohl aufgeblasene wie inhaltslose Simulierung von Persönlichkeit auszudrücken. Mir fiel es auf, daß in den Katzen gerade deshalb mehr Persönlichkeit steckte als in den Hunden, weil sie die Monolingua nicht erlernt, weil sie ihr ausdrucksvolles, leises Miauen rein erhalten hatten und weil sie sich durch Fell und Farbe voneinander unterschieden, wie eh und je. Die Katze, ein ebensolches Haustier wie der Hund, hatte durch all die Jahrtausende dem Menschen widerstanden. Ihr starrer, eisig strahlender Blick sah über ihn hinweg und schuldete ihm nichts. Io-Fagòr hatte wohl diese Ungebrochenheit des Wesens im Sinne, als er der Katze die größeren Talente zubilligte.
Der Hunde, die im beginnenden Sonnenuntergang immer zahlreicher zusammenliefen, hatte sich eine zornige Erregung bemächtigt, die fühlbar aus Neid, Eifersucht und unsicherer Angst vor
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