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Stern der Ungeborenen

Stern der Ungeborenen

Titel: Stern der Ungeborenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Werfel
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möchte vorausschicken«, lispelte er, »daß ich mich dem Dienste der Menschheit gewidmet habe und immer nur das Beste und Liebevollste im Schilde führe.«
    Diese falsche Phrase – man führt ja stets etwas Böses im Schilde und nicht etwas Gutes – darf man nicht auf das Fehlerkonto des Autors setzen. Dem Animator unterliefen selten, aber doch dann und wann solche falschen Metaphern. Vielleicht waren diese Entgleisungen auf das zurückzuführen, was B. H. die Schmuddeligkeit der Unterwelt genannt hatte.
    »Man hat uns hier das Wort Antiception hingeworfen«, sagte ich nicht ohne Bitterkeit.
    Der Animator beruhigte mich: »Geben Sie nichts auf Worte, Seigneur, und vor allem nichts auf wissenschaftliche Fachworte, auf diese leeren und eitlen Synonyma in toten Sprachen. Sie sind die Überreste einer überwundenen Zeit, in der die Wissenschaft aus nichts anderem bestand als aus ihnen … Sieht man nicht, daß die Herren frieren«, wandte er sich an die Badediener, »und man läßt sie unabgetrocknet stehen. Hurtig, hurtig frottieren und ankleiden!«
    Die beiden Weißbekittelten stürzten sich mit wundervoll rauhen Tüchern auf uns und frottierten uns ziemlich fachgerecht, wobei sie aber nur mäßige Kräfte entwickelten. Mit dem Ankleiden fiel es ihnen schon schwerer, da sie sich weder in B. H.’s Felduniform noch in meinem schwarzen Ehrenkleide auskannten. Insbesondere das Vorne und Hinten der Hosen verwirrte sie. Auch merkte ich ihnen sofort an, daß der Befehl zum Ankleiden sie mit mißbilligender Verwunderung erfüllt hatte wie alle Subalternen, von denen man einen Bruch der Vorschrift oder der Konvention fordert. Die Vorschrift aber lautete zweifellos: Auskleiden und nicht wieder ankleiden.
    Als wir fertig waren, ließ uns der Animator den Vortritt und folgte uns in unser Ruhegemach.
    »Was immer die Herren vorhaben«, sagte er beinah demütig, »da bin ich und da gehorche ich.«
    »Sie sind über mich informiert, Maître Animator«, sagte ich und blickte auf meine violette Handgelenkschleife, die ich auch im Bad nicht abgelegt hatte. Er senkte seinen Kopf, um mir sein Mitgefühl zu bezeugen:
    »Wie leid tut es mir, daß Ihr Aufenthalt in unserer Welt so unverantwortlich gestört worden ist.« Und nach oben blickend fügte er hinzu: »Die Sachen stehen schlecht, sehr schlecht. Die letzten Nachrichten sind verheerend. Die Herren haben den einzig richtigen Entschluß gefaßt …«
    »Ich hätte auch ohne schreckliche Ereignisse den Entschluß gefaßt, dem Wintergarten und seiner Leitung einen Besuch abzustatten. Schließlich war ich auch im Djebel, bin mit den Chronosophen ›aufgefahren‹ und wurde im Comptoir vom Hochschwebenden empfangen. Der Wintergarten, mein’ ich, ist für das Wohl der Menschheit und für die Neugier des Fremden um nichts weniger wichtig als der Djebel …«
    Der Animator sah mich zuerst mißtrauisch, dann forschend an und begann schließlich breit zu lächeln:
    »Kommt Ihnen das von Herzen, Seigneur? Ach, was frage ich! Ein Mann wie Sie spricht die Wahrheit, und wenn er lügt, belügt er nur die andern und nicht sich selbst. Sie haben sich selbst nicht belogen. Wir hier unten sind nicht sehr verwöhnt. Man preist unsere Institution als hohe Errungenschaft, aber leise, flüsternd und scheu. Die Verfassung verbietet Besichtigungen und Führungen, außer in besonderen Fällen. Am liebsten schwiege man uns tot. Ja, der Djebel funkelt im Licht. Sterne machen sich gut. Sterne sind etwas für Snobs. Ich sage übrigens kein Wort gegen die Sterne sämtlicher Intermundien. Ich möchte nur gebeten haben, unser bescheidenes, doch unendlich reiches Intermundium der Zellteilung hier nicht zu unterschätzen.«
    »Im Gegenteil, Maître Animator«, warf ich dazwischen, »ich hoffe, Sie werden meinem Freund und mir dieselbe Aufmerksamkeit schenken, die man uns im Djebel erwiesen hat …«
    Nach diesen Worten versenkte ich meine Schleife wieder unter der Manschette. Da aber taumelte B. H. aus der seligen Geistesabwesenheit, in die ihn das Moorbad versetzt hatte, plötzlich auf. Er gab sich einen Ruck. Sein Antlitz zeigte mehr Schatten und Schärfen als je. Ein Ausdruck von forcierter Energie bildete sich um seinen Mund:
    »Wir sind berechtigt, dieselbe Aufmerksamkeit zu fordern wie im Djebel«, rief er mit der Heftigkeit eines nicht ganz Nüchternen. »Ich habe meinem Freund aus den Anfängen der Menschheit versprochen, daß er alles zu sehn bekommt …«
    »Aber darüber ist doch niemand

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