Stern der Ungeborenen
zweifelte, daß wir beide uns der Prozedur des Wintergartens anvertrauen würden, wachte ich doch mit schärfster Anspannung darüber, daß B. H.’s und meine Kräfte geistig und körperlich auf der Höhe blieben. Denn ein astromental geschärftes Vorgefühl ließ mich wissen, daß wir das äußerste Maß dieser Kräfte für gewisse Abenteuer brauchen würden, die uns bevorstanden.
Der Animator hatte sich inzwischen zu meiner großen Verwunderung ohne alle Umstände auf den Teppich gehockt wie ein Sohn der Wüste:
»Die Herren verabscheuen diese Haltung«, lispelte er, als er mein Erstaunen sah. »Dies aber mit Unrecht. Die Knie ans Kinn gezogen, die Händchen abgebogen, das ist die devote Haltung des werdenden Menschen in utero, wenn er das höhere Leben in Empfang nimmt … In dieser Haltung des Entgegennehmens sollten wir zu dem Schöpfer beten, wer immer er sei, nicht aber auf den Knien wie zu einem Despoten …«
Da hiemit sogar das Hocken geheiligt war, ließ ich mich auf eines der Ruhelager nieder und zog B. H. neben mich:
»Gehört das schon zum Prinzip?« fragte ich, um den Animator schnell auf die Sache zu bringen.
»Das Prinzip ist ganz einfach«, nickte er. »Terra heißt nicht Terrus und Gäa heißt nicht Gäos. Der menschliche Geist, der nichts anderes ist als das Zubewußtseinkommen des Lebens, wurde schon in seiner ersten Dämmerung dessen inne, daß sein Planet eine Frau ist …«
»Maître Animator«, warf ich ein, »wenn ich nicht durch eigene Erfahrung die rein männlichen Naturen von Johannes Evangelist und Apostel Petrus kennengelernt hätte, würde ich Ihre Eröffnung für die abgegriffenste Banalität halten …«
»So aber, Seigneur, der Sie es selbst erlebt haben, was für ein kahles, brutales, liebloses Subjekt solch ein männlicher Planet ist, halten Sie eine große, aber einfache Wahrheit nicht mehr für banal. Und Sie wissen jetzt auch, warum wir alle, Sie und Ihr Freund und ich, Troubadours sind und Minnesänger und vor allem Muttersöhnchen … Da haben Sie’s, manchmal schwärmt auch die nüchterne Wissenschaft.«
»Von was für Wissenschaft sprechen Sie?« fragte B. H. gemessen, aber feindselig, und ich freute mich dieser Feindseligkeit.
»Ich spreche nicht von Wissenschaft, ich bin die Wissenschaft«, erklärte der Animator, und es klang gar nicht so unbescheiden, wie es sich gedruckt liest. »Ich bringe die Millionen Unordnungen des Lebens in Ordnung, nicht anders als die hochgeehrten Sternwanderer, Verwunderer und Fremdfühler dort oben, nur weniger effektvoll, dafür aber mit erkennbaren Resultaten …«
»Zum Beispiel?« verharrte B. H. auf seiner pedantischen Fragerei.
»Zum Beispiel«, wiederholte der Animator fast zärtlich: »Ich nehme zum Beispiel die beiden Herren, zu deren Füßen hier ich in empfangender Devotion hocke: Was sind die beiden Herren körperlich? Sie sind zwei mal sechsundzwanzig Billionen Zellularwesen, lebendige plasmatische Scheibchen mit einem dickflüssigen Tröpflein in der Mitten, jedes einzelne dieser Scheibchen verschiedenen Gruppen zugeteilt, die andern Ursachen entspringen, andern Zwecken dienen und zu andern Formen zusammenschießen; und sind doch alle gebunden und bewegt durch dieselbe Kraft und dasselbe Gesetz, das den Kosmos in Gang hält. Ich habe daher die Ehre, vor zwei Kosmen in empfangender Devotion zu hocken, vor zwei edlen Ios …«
»Nicht das, nicht diesen Vergleich bitte«, knirschte B. H. mit den Zähnen.
»Unterbrich ihn nicht, mein Lieber, wenn er recht hat«, verwies ich meinen Freund und ließ ihm einen zweiten Becher Cognac oder Elixier reichen.
»Unterbrechen Sie mich nur, edles Io«, lispelte der Animator, »da ich Seigneur nicht mit uralten Banalitäten der Bioelektrik und Symmetrologie langweilen will, von denen schon seine berühmten Zeitgenossen nichts hören wollten, wie St. Thomas, Minkowsky, Aristoteles, Coghill, Harvey der Große, Lactantius, Davenport, Hooker, Coronios, Li-Feng Yang und João Travac … Prononciere ich richtig?«
»Makellos, Maitre«, nickte ich, dem eitlen Polyhistor zur Freude, »ich aber habe Sie nicht unterbrochen.«
»Ich unterbreche mich selbst, Seigneur, indem ich meine Augen schließe, um Sie besser zu sehen. Während ich Sie nämlich geistig sehe, gelingt es mir, Sie innenbildlich rückzuentwickeln, eine Fähigkeit, die durch hundertjährige Praxis im Wintergarten mir zur zweiten Natur geworden ist. Ich habe jetzt schon ganz andere sechsundzwanzig Billionen
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