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Stern der Ungeborenen

Stern der Ungeborenen

Titel: Stern der Ungeborenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Werfel
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character« – »Ten pies má bardzo marny charakter.«
    Ich hörte, wie Io-Rasa und Io-Fagòr mit lächelnden Worten mich über die Situation hinwegzuheben versuchten. Es klang wie Aztekisch oder Zapotekisch:
    »Titl bitja, topotla clan, potoltuk quel queme misesopono.«
    Da hatt’ ich’s nun. Es war wie zuckriges Gezwitscher. Ja, wenn man so eine Sprache nur von außen sieht wie eine Hausfront, da weiß man nichts von den Bewohnern. Da gibt’s auch keinen Unterschied zwischen astronomischer Fortgeschrittenheit und uranfänglicher Primitivität.
    »Hilf mir doch, B. H.«, entrang es sich mir.
    Das Gesicht meines Freundes, der nun beinahe drohend, in voller Figur hinter der Skulptur hervorkam, war ganz bleich. Er preßte eine Hand an die Schläfe, wie um den Kopfschmerz zu betonen, den ich, seine verkörperte Blamage, durch mein Benehmen in ihm hervorgerufen hatte.
    »Haltung, F. W.«, flüsterte er scharf, »und ein bißchen Psychologie, möchte ich bitten. In der monolingualen Sprache dieses Zeitalters kann man verletzende Dinge, die man aufdringlicherweise für Wahrheiten und Aufrichtigkeiten hält, nicht öffentlich ausdrücken.«
    Da war’s, als ob mir jäh Ohren und Kehle wieder aufgingen und, unversehens und unbewußt der derzeitigen Sprache wieder mächtig, wandte ich mich mit einer Verbeugung an unsern Hausherrn, Io-Fagòr:
    »Ihr Hund ist sehr schön und sehr klug«, sagte ich. Das ging wie geschmiert, und ich empfand nicht den geringsten Gewissensbiß bei dieser Lüge noch auch das Bedürfnis, das auszudrücken, was ich wirklich dachte. Ich hatte darüber hinaus die erleuchtete Empfindung, daß es heutzutage auch gar nicht notwendig war, auszudrücken was man dachte, da jeder es bis zu einem gewissen Grade schon wußte. Ich fügte zu meinem Lob noch folgende Frage hinzu:
    »Was für einer Rasse gehört der Hund Sur an? Ich konnt’s nicht genau unterscheiden …«
    Neues Erstaunen der Runde. Der Beständige Gast fragte unsicher:
    »Was verstehn Sie unter ›Was für Rasse‹, Seigneur? Ist Hund nicht Hund? Es gibt ja doch nur Eine Art Hund.«
    Genau an diesem Punkte der Unterhaltung begann ich, die Gesichter zu unterscheiden. Aus dem blassen Hintergrunde der allgemeinen Schönheit und Jugendlichkeit traten, zum erstenmal für mein Auge, individuelle Züge und Differenzen hervor. Der Beständige Gast zum Beispiel hatte eine lange Nase und tiefere Einbuchtungen der Wangen als die andern Persönlichkeiten. Auch verschwand seine Stirne beinahe unter dem silbernen Lockenaufbau aus opalisierender Masse. Er erinnerte mich an die Büste eines barocken Habsburgers oder Bourbonen mit Allongeperücke. Über der Betrachtung der Gesichter vergaß ich zu antworten. Daher mischte sich B. H. ins Gespräch, um keine Pause aufkommen zu lassen und mir zu helfen:
    »Mein Freund F. W.«, sagte er, »hat einige Rassen und Arten von Hunden gekannt.«
    Und er zwinkerte mir ermunternd zu, ich möge frisch drauflos erzählen und mich unterhaltsam über diesen harmlosen Gegenstand verbreiten, bei dem ja nicht viel passieren konnte.
    Da ich mich aber durch B. H.’s Ermunterung unangenehm aufgeführt fühlte, schwieg ich, der unterscheidenden Betrachtung der Gesichter hingegeben. Darauf schwärzte sich der Hausweise ins Gespräch, ein etwas dickeres Gesicht als die andern, mit einer Spur von Doppelkinn, ein zugleich eitler wie weichlicher Mann wahrscheinlich, der vom Wortführer als eine überflüssige Nebenerscheinung des Haushaltes tyrannisiert zu werden pflegte: »In der folkloristischen Abteilung unseres Sephirodroms«, sprach er schnell, als ob er befürchte, seinen Satz nicht ungestört beenden zu können, »ja, in dieser Bibliothek beschäftigen sich mehrere Dissertationen mit einem Mythus über fünf oder sechs verschiedene Hundearten, von welchen jede einem besonderen Zweck gedient haben soll, der Tötung von Tieren die eine, der Führung von Blinden die zweite, der Bewachung kleiner Kinder die dritte, der Verfolgung von Verbrechern die vierte und der Vollbringung gewisser Zauberriten, mit Göttin Hekate zusammenhängend, die fünfte.«
    Er hatte recht gehabt, für seinen Satz zu fürchten, denn der Wortführer schnitt ihm mit einer Handbewegung die Rede ab. Ich aber sagte:
    »Es wäre ein Fehler, das einen Mythus zu nennen, wovon die Dissertationen im Sephirodrom handeln. Sie sehn, ich gebrauche schon keckerweise das Wort Sephirodrom, ohne ganz genau zu wissen, was es bedeutet. – Nein, das mit den Hunderassen

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