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Stern der Ungeborenen

Stern der Ungeborenen

Titel: Stern der Ungeborenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Werfel
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Griechenlands. Ich erwähne diese Götter eigens, weil es mich so heimisch anmutet, daß Sie in Ihre Sprache griechische Wörter mischen. Aber vielleicht wissen Sie nichts mehr von dem Ursprung dieser Wörter. Sie haben ferner das Problem gelöst, das uns zu meiner Zeit am tiefsten niederdrückte. Die Arbeit ist kein Fluch mehr, den eine Welt von Sklaven zugunsten einiger Nutznießer oder Regierer trägt. Sie haben aber mit diesem Fluch zugleich den Fluch der Technik abgeschafft, der die Sklaven und Nutznießer insgleichen um ihre Seele brachte, indem er sie mit Massenwaren, Massengenüssen, Massenkünsten, Massennichtigkeit und Massenmord überschwemmte. Es geht in Ihrer Welt alles so unfaßbar leicht zu. Ein köstliches Festmahl, aus den konzentriertesten Substanzen bestehend, gewissermaßen das Rosenöl der Nährfreude, es wird zentral hergestellt, doch auf Grund höchst persönlicher und seit Jahrhunderten patrizisch vererbter Rezepte. Sie reisen auf mentalem Wege, indem Sie das Ziel mittels eines Spielzeugs auf sich zu bewegen, was nicht die geringsten Kosten verursacht und keinen Dampf, kein Öl, keine Elektrizität oder sonstigen Kraftverbrauch in Anspruch nimmt. Sie haben den Globus unifiziert. Es gibt keine Rassen und Nationen mehr, sondern nur eine einzige Menschheit. Es gibt auch keine Sprachen mehr, sondern nur eine einzige Sprache, die Monolingua, kein künstliches Esperanto, sondern eine organische Sprache des Wohllauts, und ich muß Sie um Nachsicht wegen des barbarischen Akzentes bitten, den meine schwere Zunge aus der Vorzeit mitschleppt. Es gibt auch nicht mehr den ursprünglichen Unterschied zwischen Stadt und Land, den Unterschied zwischen der landschaftlich erhabenen Einöde, in der einst der unbelehrte Ackerbauer oder Bergbewohner sein hartes Leben fristete, und der dicht gedrängten Großstadt, der lasterhaften und infektiösen Megalopolis, wo die proletarisierten Millionen keinen Raum und keine Zeit hatten. Sie haben, die gesellschaftliche Bestimmung der Menschheit vollendend, die Erde umgeschaffen zur All-stadt, zur Panopolis – verzeihen Sie einem alten Humanisten die klassische Wortbildung – Pan und Panis, zur All-stadt und zur Brotstadt, denn jedermann bekommt das zur Ernährung Notwendige in der Form des leichtesten, des raffiniertesten, des familiärsten Genusses ins Haus geliefert, und zwar ohne eitel großmächtige Technik, ohne Röhrenleitungen und hydraulische Vorrichtungen, an die nur zu denken bereits den Appetit verdürbe. Ich gestehe, zu meiner Zeit hätte ich nicht geglaubt, daß dies alles je würde erreicht werden können …«
    Das Mahl schien zu Ende zu sein. Ich hatte das süß und eiskaltcremige Tränklein zu schnell hinuntergeschlürft und fühlte einen sonderbar Ich-bekräftigenden Schwips, dem es zuzuschreiben war, daß ich ohne alle Schüchternheit so viel redete, was vermutlich meiner Erscheinung gar nicht gut anstand. Io-Fagòr – sein Kopfputz war noch immer von Gold – hielt während meiner Rede das Haupt gesenkt. Er schien nicht ganz einverstanden zu sein. Darum vielleicht wollte der Wortführer jetzt vom Gegenstande ablenken:
    »Sie haben soeben, Seigneur«, sagte er, »aufs gefälligste das Lob des heutigen Tages gesungen, und die Zufriedenheit eines verständnisvollen und wohlwollenden Gastes erfreut die Wirte immer … Wir möchten die Kräfte unsres wohlwollenden und verständnisvollen Gastes nicht allzusehr in Anspruch nehmen, zumal er eine so weite Reise zurückgelegt hat, um uns einen hoffentlich langen Besuch abzustatten. Aber vielleicht könnten Sie, Seigneur, in einigen erklärenden Merkworten, in einer netten Causerie uns Kunde geben von sich und von dem, was Ihnen denkwürdig, im Gegensatz zu unserm Leben, an jenem Leben scheint, das Sie vor geraumen Epochen verlassen haben …«
    »Aber das würde doch zu weit führen, Monsieur«, sagte ich erschrocken.
    »Schildern Sie nichts Allgemeines in Ihrer netten, kleinen Causerie, Seigneur«, beruhigte mich der Wortführer, »sondern bleiben Sie persönlich, rein persönlich …«
    Dieses Wort »persönlich, rein persönlich« klang in meinen Ohren mild hypnotisch nach. Ich fühlte recht undeutlich, wie mir ein hart gepolsterter Streckstuhl untergeschoben wurde, auf den ich mich mit gelösten Muskeln müde fallen ließ. Die Herren und Damen umgaben mich in einem nahen, angenehmen Kreis. Ich sah erstaunt und mit übersichtiger Verschwommenheit die irisierenden Kopfaufsätze von Gold und Silber,

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