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Stern der Ungeborenen

Stern der Ungeborenen

Titel: Stern der Ungeborenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Werfel
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Hause ausgezeichnet. Offen gesagt, ich habe in meinem Leben noch nie so gut gespeist. Freilich, es ist meine erste Mahlzeit in meiner jetzigen, so überraschenden Anwesenheit, denn von dem vorigen Leben will ich ja gar nicht reden. Sie führen eine vortreffliche Küche, Madame.«
    B. H.’s Kopf fuhr verzweifelt hinter seiner Deckung hervor. Ich hatte wieder eine unverzeihliche Gaffe begangen. Wie konnte man in dieser ästhetischsten aller Welten vom Essen reden, als lungre man in einem nach aufgewärmtem Gulasch stinkenden Bierbeisl? Ich erschrak. Doch die Dame ließ mich nichts fühlen. Sie lächelte bezaubernd mit ihren wunderschönen, vom Lichte ein wenig verwischten Zügen und entledigte sich aufs liebenswürdigste ihrer Pflicht, einen Gründling wie mich mit zarter Unauffälligkeit zu belehren: »Wir führen keine eigene Küche, Seigneur. Die Rezepte, die sich seit Jahrhunderten im Besitze unserer Familie befinden und die auf keine andere Familie ohne den Stempel des Notars übertragbar sind, werden auf zentralem Wege hergestellt.«
    Aha, da hätten wir ihn wieder, den zentralen Weg, dachte ich, und erhob meine Stimme, zu fragen:
    »Ist es etwa der Arbeiter, Madame, der sich zugleich auch als Traiteur betätigt?«
    »Sie wissen schon vom Arbeiter, Seigneur?« fragte Io-Rasa ziemlich erstaunt. »Sie sind recht wohl informiert.«
    »Nicht hinreichend, Madame, bei weitem nicht hinreichend«, erwiderte ich. »Aber ich ahne etwas sehr Großes an diesem Arbeiter, und ich weiß, daß er als einziger den Vollbart trägt.«
    »Das ist nicht alles«, meinte sie, »und es ist auch nicht genau so. Den Vollbart tragen auch noch einige andre Personen.«
    Alle Gespräche in der Runde verstummten. Ich hätte auch ohne B. H.’s Blicke genau gefühlt, daß es nicht zum guten Ton gehörte, an eine Dame mehrere Fragen nacheinander zu richten. Aber mein Forscherdrang und das Interesse, das der Begriff des »Arbeiters« in mir erweckte, ließ sich nicht bemeistern:
    »Ist der Arbeiter nur ein Mann, oder ist er auch ein Gegenstand?« fragte ich und schämte mich dieses Satzes, der mich an irgendein archaisches Gesellschaftsspiel gemahnte.
    Ehe aber Io-Rasa, die Brautmutter, meine ungehörige Frage noch beantworten konnte, wurden wir durch ein kleines Ereignis unterbrochen, welches die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf sich zog. Ein Hund sprang ins Zimmer. Wahrhaftig, es war ein Hund, ein Hund mit vier Pfoten, rotbraunem Fell, großen haarigen Ohrlappen und einer länglichen Schnauze. Schmal, mittelgroß und überaus lebhaft, wie er war, konnte ich seine Rasse nicht bestimmen. Er schien aber konzentrierter ein Inbegriff der Hundheit zu sein als die Hunde zu meiner Zeit, die vielfach übertriebene Züchtungsprodukte gewesen sind. Ich sage und schreibe: Hund. Was aber war aus dem Hund seit tausend Jahrhunderten in immer engerem Umgang mit Menschen und menschlicher Pflege geworden? Leibesform, Fell, Schnauze, Ohrlappen, Pfoten, all dies war vollauf hündisch geblieben. Durch die traurige und tiergefesselte Grundierung dieses Hündischen aber äugte, ächzte, schnupperte, schmeichelte die Menschenhaftigkeit hervor, genauer, die Angemenschtheit, in jedem Zu- und Wegspringen, im Zögern oder in der Entschließung der Bewegungen und vor allem im aufmerksamen Blick, im abschätzenden Blick, im habgierig berechnenden Blick. Ich traute meinen Augen nicht. Doch noch viel weniger traute ich meinen Ohren, als der Hund zu reden begann. Es war ein Bellen, aber ein hundertfach modulierteres als das mir bekannte Hundegebell, aus dem sich ein beschränkter, jedoch zum Ausdruck des Hundegeistes hinreichender Wortschatz ganz natürlich zu entwickeln begann.
    »Der Hund spricht ja«, kam’s mir über die Lippen.
    Alle sahen mich erstaunt an. Bisher hatte ich mich trotz steifer Hemdbrust und weißer Binde dem Abenteuer gewachsen gezeigt. Jetzt schienen meine feingesichtigen Gastfreunde zu denken: Was will er eigentlich? Der Hund spricht ja? Die Hunde sprechen seit jeher. Sollten sie einmal nicht gesprochen haben? O, du Idiot, sagte ich zu mir selbst, natürlich haben die Hunde immer gesprochen. Daß sie sich jetzt auch gewählt ausdrücken können, das liegt im Gesetze der Entwicklung und ist nichts Erstaunliches. Wann werde ich endlich genügend ruhige Nerven haben, um mir keine Blößen mehr zu geben?
    Inzwischen sprang das Tier abwechselnd am Brautvater Io-Fagòr und an der Brautmutter Io-Rasa empor; im übersprudelnden Hundegestammel seiner

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