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Stern der Ungeborenen

Stern der Ungeborenen

Titel: Stern der Ungeborenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Werfel
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ich mich über ihre tadellose Haltung zu ärgern begann. Diese Wohlerzogenheit beim Anblick ihres sterbenden Kindes erschien mir, dem antiken Menschen, dessen Seele voll war von Schreckensschreien und Schmerzensfreude wie eine griechische Tragödie, als die empörendste Kälte und Herzlosigkeit. Dazu kam noch, daß diese beiden in ihrem besonders eleganten durchscheinenden Schleierraffungen sich immer wieder über die Bahre beugten und erbarmungslos auf den Kleinen losredeten, der dann immer lauter zu wimmern begann, durch die Eltern auch noch in seinen Schmerzen gestört. Vergebens mischte sich der Lehrer ein. Als der Großbischof in Sicht kam, erzwang es das astromentale Paar durch seine sonderbar kühle Energie, daß die Heilgehilfen mit der Bahre haltmachten und wir anderen zusamt der riesigen Gefolgschaft stehenblieben. Dies war der Augenblick, wo sich das ganz Unerwartete ereignete, das, meiner Ansicht nach, während der ganzen Geschichtsepoche von Djebel und Wintergarten auf der Erdoberfläche ohne Präzedens war. Aus der dichten Menge arbeiteten sich plötzlich drei weiße Gestalten heran, eine kleine, etwas schiefe, und zwei plumpe Riesen, so recht Kolosse auf tönernen Beinen, verschnittenen Haremswächtern ähnlich. Nein, nein, unser Animator war’s nicht, ich habe ihn wenigstens nicht in diesen erkannt, noch auch waren es Badediener No. Eins und Zwei. Es waren zwei andere Badediener, und sie schleppten eine Badebutte mit schwarzer Erde herbei, die sie aus der Tiefe des Hohlraums mitgebracht hatten. Dicker langsamer Schweiß stand ihnen wie Stearintropfen auf der Stirn, denn mühsam und erschöpfend war für Funktionäre des Wintergartens der Aufenthalt und körperliche Arbeit unter dem wirklichen Himmel. Allen dreien, besonders aber dem Animator, klapperten vor Eiseskälte die Zähne: die Temperatur einer normalen Frühlingsnacht bedeutete für sie ein arktisches Abenteuer, das sie nur um der großen Sache willen auf sich genommen hatten. Der Animator, der hier in der frischen Luft nur einzelne Worte auszustoßen fähig war, wies mit einer weiten einladenden Gebärde seiner Hände immer wieder auf den Badebottich mit dem retrogenetischen Humus hin, zwei Worte wiederholend:
    »Kühl, gut, kühl, gut …«
    Knirpsens Vater aber, selbst ein zierlicher kleiner Mann, richtete sich so hoch auf, als es möglich war, und sprach mit lauter Stimme, die das gespannte Schweigen durchdrang:
    »Mein liebes armes Söhnchen, du weißt aus deiner Kinderzeit und den Geschichten, die man dir erzählt hat, was diese hier sind, und was dieses gute kühle Bad ist, das deine Schmerzen sofort heilt … Du bist ja orientiert …«
    »Orientiert?« höhnte der Elementarlehrer beiseite. »Er ist das Genie der Orientation. Der Himmel ist nicht groß genug, daß er sich in ihm verirren könnte …«
    Es entstand eine Pause, die ganz der aus weiten Fernen erwachenden Aufmerksamkeit des Knaben gehörte. Dann fragte seine sehr matte, beinahe schon schlafumsponnene Stimme:
    »Ist es soweit mit mir?«
    »Es ist soweit mit uns dreien, mein Herzensschatz«, sagte die junge Frau, ohne sich eine schmerzliche Schwebung zu gestatten.
    »Deine liebe Mutter hat recht«, nickte der Mann. »Wir werden dich in das dunkle Bad betten, und deine brennenden Schmerzen sind vorbei. Dann geleiten wir dich an den Ort, wo man auch uns neben dir ins dunkle Bad betten wird. Tausende und Abertausende haben es getan, viele unserer Verwandten und Freunde. Und wir drei werden beisammen sein …«
    »Keine Schmerzen mehr«, wimmerte der Knabe.
    »Kühl, gut, kühl, gut«, stieß der Animator hervor und wies mahnend mit beiden Händen auf den Bottich, der nun ganz dicht neben der Tragbahre stand.
    Der Sterntänzer begann aber plötzlich unruhig zu werden. Seine Augen suchten:
    »Herr Lehrer, Herr Lehrer …«
    »Hier bin ich, mein lieber schlimmer Schüler …«
    »Und ich Herr Lehrer? Bin ich ein Chronosoph? Oder bin ich’s noch nicht?«
    »Ich hätte es nie ausgesprochen vor den bösen Ohren der Welt. Jetzt aber spreche ich’s aus. In Ihnen, meinem kleinsten Schüler, den ich von jetzt an nicht mehr Io-Knirps nenne, in Ihnen sehe ich den Hochschwebenden des nächsten …«
    »Aber es gibt keinen Djebel mehr«, unterbrach eine scharfe Stimme.
    Der Sterbende aber hatte die Hände des Lehrers gepackt und versuchte sich mit einer wilden Anstrengung aufzurichten:
    »Ich will nicht ins Kühle und Gute«, schrie er, »ich will nicht …«
    »Aber deine

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