Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
beschweren. Sie ist mir Gefährtin, Geliebte, Freundin gar. Aber wenn ich bei ihr liege, dann ist mir, als stünde zwischen meiner Liebe und ihr eine Mauer. Wenn ich ihre Haut berühre und ihre Wärme spüre, dann wird mir nicht heiß, sondern nur lau. Das liegt an mir. Es gibt nichts, was ich Mafalda vorwerfen könnte. Es ist vielmehr so, als wären mir die Gefühle abhandengekommen, erstickt in der unerträglichen Schwüle dieser Insel. Ganz leer bin ich innen und habe den ganzen Tag über nichts Besseres zu tun, als diese Leere vor allen zu verstecken. Oh, wie undankbar, wie grausam bin ich. Und wie sehr leide ich an mir selbst.
Und sogar, wenn ich mit Titine zusammen bin, scheint mir, als erreichte nur die Hälfte ihrer Worte mein Ohr. Es ist mir, als lebte ich in einer riesigen Seifenblase, die verhindert, dass ich mich den anderen nahe fühle. Ich bin ein Fremder in dieser Welt, und ich frage mich, ob das meine Strafe ist. Nie aus vollem Herzen lachen, niemals mit Schweiß und Tränen lieben können, sondern immer nur ein unbeteiligter Beobachter sein. Gibt es eine größere Hölle? Und doch habe ich im Grunde nichts, aber auch gar nichts auszustehen.«
Hermann legte das Schreibgerät zur Seite, klappte das gebundene Buch zu, verstaute es in der untersten Schublade seines Schreibtisches und schloss die Lade ab. Mafalda, die ihm manchmal bei der Korrespondenz half, glaubte, in dieser Schublade wären wichtige Geschäftspapiere, doch hier lagen nur sein heimliches Tagebuch und ein Revolver, von dem er hoffte, dass er ihn niemals brauchen würde.
Er hatte mit seinem Freund Andreas Winkler, einem Arzt aus Kärnten, über seine Unfähigkeit zum Glück gesprochen. Lange hatte er gezögert, ehe er sich ihm anvertraut hatte, doch dann waren die Worte wie klirrende Murmeln aus seinem Mund gerollt.
Winkler hatte zugehört, dann hatte er gelacht. »Weißt du, was du brauchst? Mir scheint, es ist das Leid. Das Leid und der Kampf. Du konntest noch nie etwas einfach so nur annehmen. Alles willst du dir verdienen, erarbeiten. Ja, so sind die Deutschen nun einmal.« Er zündete sich eine dicke Zigarre an, blies den Rauch nachdenklich durch seinen Patio und sah Hermann, der ihm in einem Korbstuhl gegenübersaß, forschend an. »Du willst ein Mann sein, Hermann, willst dich als Mann beweisen. Ich bin zuversichtlich. Du wirst nur allzu bald die Gelegenheit dazu haben.«
»Was meinst du damit?«, hatte Hermann gefragt, aber Andreas Winkler hatte ihm nur ein dünnes, trauriges Lächeln gezeigt. Eine Antwort hatte er nicht bekommen. Dr. Winkler hatte lediglich die Schultern gezuckt und gesagt: »Ich habe Dinge gehört, die mir nicht gefallen. Aber noch immer hoffe ich, dass sich alles in Wohlgefallen auflöst, obwohl diese Hoffnung sicherlich töricht ist.«
Hinter ihm knarrte die Tür. Hermann drehte sich nicht um, denn er erkannte den leichten Schritt seiner Frau. Mafalda stellte sich hinter seinen Schreibtischstuhl, legte ihm beide Hände auf die Schultern und massierte ihn leicht. Hermann presste den Kopf gegen ihren Leib und spürte durch die Kleider hindurch Mafaldas warme Haut. Sie war noch immer so schön wie damals, als er sie kennengelernt hatte. Ihr Leib glich einem starken Zuckerohr. Biegsam, schmal, doch voller Kraft. Die dunklen Locken fielen ihr bis auf den Rücken, und in ihren braunen Augen loderte noch immer die Glut der Jugend. Und noch etwas unterschied Mafalda von den anderen Frauen, die er kannte. Mafalda war klug. Sogar so klug, dass sie ihm stets das Gefühl gab, ein wichtiger, bedeutender, großer Mann zu sein. Hermann ahnte, dass das nicht stimmte, doch er genoss Mafaldas Bewunderung.
Mafaldas erster Ehemann und einstiger Besitzer dieses Ingenios, Don Alvaro, war ein übellauniger, brutaler Bursche gewesen, der Mafalda wie eine Sklavin gehalten hatte. Nein, schlimmer noch, da er sie schlug, wann immer es ihm in den Sinn kam, sie quälte, beschimpfte und mit ihrem Körper anstellte, wozu er gerade Lust hatte. Hermann hatte Mafalda so kennengelernt, als verschüchterte junge Frau, die sich stets unter der Herrschaft ihres viel älteren Ehemannes duckte. Doch dann war Don Alvaro zu Tode gekommen, und Hermann, bis zu diesem Tage Verwalter der Pflanzung, hatte um Mafaldas Hand angehalten. Und nun, dachte er traurig, war sie vom Regen in die Traufe gekommen. Verdammt, er musste etwas tun, er musste Mafalda der Ehemann sein, den sie verdient hatte.
»Was ist?«, fragte er, schloss die Augen und überließ
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