Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
Sohn sei. Wieder stellte ihm Wilma nach, zerstörte die Liebe zwischen Marisol und ihm, so dass Hermann den Vorschlag Groths mit Begeisterung annahm, eine große Zuckerrohrplantage an der Karibikküste zu leiten und sein Zuhause in Havanna aufzugeben.
Auf dem Ingenio von Don Alvaro in Trinidad lernte Hermann viel über den Zuckerrohranbau, aber auch über das Leid der Sklaven. Er verliebte sich in Mafalda, Don Alvaros junge Ehefrau, doch erst, als Don Alvaro starb, wagte er es, seine Liebe zu ihr zu bekennen. Und nun waren sie seit sieben Jahren schon Mann und Frau, besaßen einen ertragreichen Ingenio, und auch Titine schien ihr Glück gefunden zu haben. Und wenn es etwas gab, das Hermann ernstlich Anlass zur Sorge gab, dann war es Titines Glück, das er nicht teilen, ja nicht einmal ohne tiefes Unbehagen mit ansehen konnte.
»Ist es das, was mich so stört?«, überlegte Hermann laut. »Es ist wahr, Titine hat mit Felas Hilfe ihre Sprache wiedergefunden. Die Liebe hat dieses Wunder bewirkt, aber was nützt eine Liebe zwischen einer weißen Doña und einem schwarzen Sklaven? Ach, wäre Fela doch weiß und frei. Ich würde ihn Bruder nennen, würde ihn zu meinem Kompagnon machen, würde dem jungen Glück ein eigenes Heim bauen. Aber ein Sklave? Warum musste sich Titine ausgerechnet in einen Sklaven verlieben? Noch dazu in einen, der nicht einfach dröge seine Arbeit tat, sondern einen mit wildem Blut und großem Stolz, einen Mann aus dem kriegerischen Stamme der Yoruba.« Hermann wusste einiges über die Sklaven. Die meisten von ihnen hatten sich mit ihrem Schicksal arrangiert. Sie arbeiteten mehr oder weniger fleißig. Ihr einziger Trumpf war, dass die Weißen ein wenig Angst vor ihnen und ihren merkwürdigen Ritualen hatten. Keine weiße Frau, die auf der Insel aufgewachsen war, würde sich je in einen Sklaven verlieben. Von klein auf hätte man ihr beigebracht, dass die Schwarzen nur eine winzige Stufe über den Tieren stehen. Bei allen weißen Frauen, die Hermann kannte, war es so, dass sie Sklaven nicht einmal in ihrer Nähe duldeten, mit Ausnahme ihrer Haussklaven. Aber Titine war anders, war schon immer anders gewesen. Sie scherte sich einen feuchten Kehricht um das, was andere taten. Nur deshalb war sie in so eine Lage geraten. Die Geliebte eines Sklaven. Immer, wenn Hermann daran dachte, musste er den Kopf schütteln. Titines größter Nachteil war, fand Hermann, dass sie dachte. Nachdachte. Alles hinterfragte. Nicht immer mit Worten, sondern mit Beobachtungen. Wäre sie doch ein wenig dümmer, dachte er nun und seufzte tief auf.
Er sah aus dem Fenster und erblickte seine Schwester, die mit einem kleinen Jungen spielte. Hermann seufzte. Der kleine Junge war das Kind von Wilma, die bei einem Hurrikan ums Leben gekommen war. Das Kind, von dem Wilma behauptet hatte, es sei seinen Lenden entsprungen. Jetzt lebte der kleine Richard auf dem Ingenio und wurde sowohl von Mafalda als auch von Titine betreut. Der Junge war ein recht braves Kerlchen, der wenig Anlass zum Verdruss gab, aber Hermann wurde einfach nicht warm mit ihm. Sein spitzes Gesicht, der fadendünne Mund und die eng zusammenstehenden, dunklen Augen erinnerten ihn stets an ein hinterhältiges kleines Tier, eine Ratte am ehesten. Die etwas grelle Stimme gellte in seinen Ohren, wie einst die Stimme seiner Mutter. Und obwohl der kleine Richard nichts Böses tat, hielt Hermann ihn für verschlagen. Es fiel ihm schwer, den Jungen auf seinen Schoß zu lassen, ihm über das Haar zu streichen oder seinen süßen Jungenduft zu riechen. Am liebsten wäre er den Jungen los. Aber was sollte er mit ihm tun? Zurückschicken nach Deutschland, zu seinen Großeltern? Einen neunjährigen Knirps? Hermann wusste ja nicht einmal, ob Wilmas Eltern überhaupt noch lebten.
Wieder seufzte er. Er stützte den Ellbogen auf seinen Schreibtisch und barg das Kinn in seiner Hand. »Was fehlt mir?«, murmelte er vor sich hin. »Was, in aller Welt, vermisse ich? Ich habe doch alles, was ich mir je gewünscht habe. Und doch kommen mir die letzten fünf Jahre einfach nur abgelebt vor.« Er tunkte den Federkiel in das Fass und schrieb: »Ich habe alles, was ich möchte, aber ich habe es nicht erkämpft, nicht mit Blut, Schweiß und Tränen zu meinem Eigen gemacht. Es ist mir in den Schoß gefallen. Fühlt es sich deshalb nicht richtig an? Ich liebe Mafalda. Doch auch mit ihr ist es, als würde etwas fehlen. Nein, ich habe nicht den geringsten Grund, mich über mein Weib zu
Weitere Kostenlose Bücher