Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
keine Worte, stand einfach nur da und wusste nicht, wohin mit den Armen, mit den Beinen, mit den Gefühlen. Schließlich aber trat er vor, umarmte Hermann linkisch und sagte leise, fast unhörbar: »Danke. Ich danke dir von Herzen, Bruder.«
Und Hermann flüsterte zurück: »Du schuldest mir keinen Dank. Du schuldest mir nichts, gar nichts.«
Danach wurden die übrigen Geschenke ausgetauscht, doch jeder hielt seine Gabe irgendwie verloren in den Händen, weil so viel Wichtigeres sich zugetragen hatte, weil so viel passiert war, weil das Glück und der Weihnachtsfrieden wahrhaftig im Hause des Kaufmannes Groth Einzug gehalten hatten. Es dauerte sehr lange, bis sich alle einigermaßen beruhigt hatten. Dann saßen sie im Patio, ließen sich von der Meeresbrise die erhitzten Gesichter kühlen, waren noch immer klopfenden Herzens, aber so weit, dass sie einander zuhören konnten. Worte flogen hin und her, Berichte wurden ausgetauscht, einer fiel dem anderen ins Wort, Gelächter hallte über den Tisch, nur Rafaela saß stumm da, lächelte zwar, wirkte jedoch, als würde ihr irgendetwas auf der Seele brennen.
Schließlich nahm Mafalda sie zur Seite. »Was ist mit dir? Wächst dir das alles über den Kopf? Möchtest du dich einen Augenblick ausruhen?«
Rafaela schüttelte den Kopf. Dann holte sie aus ihrem bestickten Beutel einige engbeschriebene Papiere.
»Was ist das?«, fragte Mafalda leise.
»Es sind die Unterlagen, die du aus dem Hotel Imperial mitgebracht hast. Sie steckten in der Schürzentasche der Zimmermädchenuniform.«
»Was für Unterlagen? Wovon sprichst du?« Mafalda starrte Rafaela verständnislos an. Sie war mit anderen Gedanken so fest in der Gegenwart und in der Zukunft verankert, dass ihr die Vergangenheit Millionen Jahre zurückzuliegen schien.
»Unterlagen eben. Ich habe sie nicht gelesen.«
»Zeig sie mir bitte.«
Rafaela drückte ihrer Herrin, die nun auf einmal ihre Tante war, die Papiere in die Hand.
Mafalda setzte sich und las. Dann riss sie die Augen auf, presste eine Hand vor den Mund und flüsterte schließlich: »Aber das gibt es doch nicht. Das kann ich gar nicht glauben. Doch ja. Es liegt auf der Hand. Ich hätte schon viel eher darauf kommen müssen.«
»Was ist?«, fragte Rafaela vorsichtig.
Mafalda erhob sich, strich sich das Kleid glatt, hielt die Papiere so fest in ihrer Hand, dass die Knöchel ganz weiß wurden.
»Komm mit zu den anderen«, sagte sie. »Du wirst es gleich erfahren.«
Sie stellte sich an den Tisch, an dem Hermann saß, nahm ein Glas und ließ einen feinen Silberlöffel dagegen schellen. Dann sagte sie leise und feierlich, als würde sie ein großes Geheimnis lüften: »Ich weiß jetzt, wer Rick Woolf ist. Der Mann, der so viel Leid und Elend über uns gebracht hat, ist …« Sie verstummte, ließ ihre Blicke über die Anwesenden schweifen, fand gespannte Erwartung darin.
Sie seufzte tief auf und sagte dann: »Rick Woolf ist niemand anders als der kleine Richard Demmel, Sohn von Wilma aus Deutschland, den wir als Jungen in ein Kloster gegeben haben.«
»Was?« Hermann sprang auf, riss ihr beinahe die Papiere aus der Hand. »Das kann doch gar nicht sein.«
Doch dann las er selbst, was auf dem Lebenslauf stand, der durch Zufall in Mafaldas Hände geraten war.
Anhang
Quellenverzeichnis
Einleitungstext zum zweiten Teil:
Alexander von Humboldt, Kuba-Werk, Kingston, 2001
Einleitungstext zum dritten Teil:
Barbara Baumgartner, GEO Special Kuba,
März 2009
Literaturnachweis
Miguel Barnet
Der Cimarron
Die Lebensgeschichte eines entflohenen Negersklaven aus Kuba
Suhrkamp 1999
Tamara Gottschalk
Alexander von Humboldt und die Sklaverei auf Kuba Studienarbeit, München o.J.
Adolf Hoeffler
Vereinigte Staaten Kuba
Tagebuch vom 9. Januar 1851 – 22. August 1852
Frankfurt 1995, Privatbesitz
Alexander von Humboldt
Kuba-Werk
Kingston, 2001
Matthew Parker
The Sugarbarons
Family, Corruption, Empire and War
Hutchinson, London 2011–10–31
Michael Zeuske
Schwarze Karibik, Sklaven, Sklavereikultur und Emanzipation
Zürich o.J.
Barbara Baumgartner
GEO Special
Kuba
März 2009
Roble de Olor
Film von Rigoberto Lopez, 2006
Internet:
www.matices.de/17/17skuba.htm
Über Beatrice Fabregas
Beatrice Fabregas arbeitete viele Jahre als Werbetexterin und Journalistin und ist heute als Buchhändlerin tätig. Sie reist gerne, und Kuba war und ist ihr Sehnsuchtsland, das sie immer wieder gern aufsucht und von dem
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