Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
sich Mafaldas Zärtlichkeiten, in der Hoffnung, dass ihre Hände ihm auch das Herz wärmen könnten. Er griff nach ihrer Hand, zog sie an seinen Mund und drückte einen Kuss darauf. »Ein Kurier ist da«, erklärte sie. »Joachim Groth aus Havanna hat ihn geschickt. Ich fürchte, er hat keine guten Nachrichten.«
Zweites Kapitel
D er Kurier war über und über mit Staub bedeckt. Sein Gesicht war grau vor Erschöpfung, das Haar verfilzt.
Hermann bot ihm zuallererst ein Glas Rum aus eigener Herstellung an. Stark, süß und klar wie Wasser.
Gierig trank der Kurier, dann holte er aus seiner ledernen Satteltasche einen dicken Umschlag. Hermann erkannte den Stempel des Absenders, das Handelshaus Groth, Jessen und Krischak.
»Ich muss Ihnen etwas berichten, bevor Sie die Nachricht aus Havanna lesen«, erklärte der Kurier. »So hat es mir der Kaufmann Groth aufgetragen.«
Hermann lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück. »Bitte, fangen Sie an. Doch sagen Sie vorher rasch, ob Sie noch etwas benötigen. Einen Krug Wasser, einen kleinen Imbiss, noch etwas Rum?«
»Alles, was wir jetzt brauchen, ist ein klarer Kopf. Alle Weißen auf Kuba. Und nie haben wir dringender den Rum gebraucht. Essen kann ich später noch.«
»Also, was ist geschehen?«
Der Kurier räusperte sich, dann begann er: »Vor fünf Tagen hat Carlos Manuel de Céspedes, ein Zuckerbaron aus Manzanillo, alle seine Sklaven freigelassen. Doch damit nicht genug: Er hat die Unabhängigkeit Kubas von Spanien proklamiert und alle Sklaven aufgefordert, sich am Kampf gegen die Spanier und die anderen Weißen zu beteiligen.«
»Carlos Manuel de Céspedes?« Hermann horchte auf. »Ist das nicht derselbe, der im letzten Jahr gemeinsam mit einem anderen Zuckerbaron das ›Revolutionäre Komitee von Bayamo‹ gegründet hat?«
Der Kurier nickte. »Derselbe. Doch niemand hat ihn ernst genommen. Außer der spanischen Kolonialverwaltung. Sie nahm Céspedes’ Sohn Oskar fest, um den Zuckerbaron damit dazu zu bringen, seine Unabhängigkeitsbestrebungen von der spanischen Krone ein für alle Mal einzustellen. Doch Céspedes ließ sich nicht unterwerfen. Also wurde sein Sohn von den Spaniern hingerichtet. Vor fünf Tagen nun veröffentlichte Céspedes auf seinem Ingenio das ›Manifest des 10. Oktobers‹, in dem er zum bewaffneten Kampf gegen die spanischen Kolonialmächte aufrief. Und er ließ alle seine Sklaven frei und forderte sie auf, am Kampf teilzunehmen. Man sagt, schon Hunderte hätten sich ihm angeschlossen. Und nicht nur Sklaven, auch Freigelassene, Tagelöhner, Bauern, Handwerker, Kreolen, reich oder arm, und sogar einige andere Zuckerbarone.«
Hermann winkte ab. »Das mit den anderen Zuckerbaronen muss nichts heißen. Der Osten ist immer ein wenig zu kurz gekommen. Reich geworden sind nur die Zuckerbarone im Westen und in der Mitte des Landes. Kein Wunder, dass die aus dem Osten sich erheben.«
»Aber das ist noch nicht alles, Don. Die Aufstände breiten sich aus, haben von Manzanillo aus um sich gegriffen.«
Hermann rieb sich nachdenklich das Kinn. »Das heißt also, dass die Sklaven auf der ganzen Insel unruhig werden, oder nicht?«
Der Kurier nickte. »Vielleicht sollten Sie rasch noch die entsprechenden Maßnahmen ergreifen«, schlug er vor.
»Welche Maßnahmen?«
»Nun, Groth schlägt vor, bei der kleinsten Erhebung drastisch durchzugreifen. Dabei geht es ihm nicht so sehr darum, die Sklaven zu bestrafen, sondern darum, die mit Deutschland geschlossenen Verträge über die Zuckerlieferungen einzuhalten. Vielleicht könnten Sie einen Zaun um das Sklavendorf errichten? Wachhunde einsetzen? Posten mit Waffen aufstellen?«
Hermann nickte. »Groth hat recht. Die Verträge sind wichtig. Nun, da die deutschen Bauern damit begonnen haben, Zucker aus Rüben herzustellen, ist uns eine gefährliche Konkurrenz gewachsen. Allerdings betrifft das unseren Ingenio nicht in vollem Umfang. Ich habe erst kürzlich Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika geführt. Sie sind bereit, uns den überzähligen Zucker abzunehmen. Groth weiß davon, schließlich ist seine Gesellschaft für uns als Agent tätig.«
»Um die Verträge zu erfüllen, brauchen Sie die Sklaven. Wer sonst sollte auf den Feldern schuften?« Der Kurier wischte sich mit einem Taschentuch den staubigen Schweiß von der Stirn.
Hermann lächelte. »Natürlich brauchen wir die Sklaven auf den Pflanzungen. Doch ich werde sie nicht einsperren oder bewachen lassen. Die Sklaven
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