Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
nie hatte er die Sklaven Nigger genannt. Aber dieser da vor ihm, der ihn so hochmütig anstarrte, der brachte ihn zu Dingen, die er niemals tun wollte. Oh, Hermann hasste ihn. Hasste ihn, hasste ihn, hasste ihn …
Um Felas Lippen spielte ein Lächeln, das Hermann ihn am liebsten vom Mund geschlagen hätte. »Nein, Herr. Alles in bester Ordnung. Jedoch weiß ich nicht, was sich auf den Feldern und in den Zuckermühlen tut.«
Hermann kniff die Augen zusammen. »Du bist also der Ansicht, dass sich dort etwas tut?«
Der Schwarze schüttelte belustigt den Kopf. »Ich weiß es nicht, Herr. Ich weiß gar nichts. Wollen Sie einen Becher frische Milch?«
Hermann leckte sich über die trockenen Lippen. Er hatte Durst, aber von diesem überheblichen Sklaven, der ein besonderes Interesse an seiner Schwester hatte, wollte er eigentlich keinen Tropfen annehmen. Fela hatte unterdessen schon einen Blechbecher mit der weißgelben, fetten Milch gefüllt und reichte ihn Hermann. Gierig trank der Don, bis der Becher leer war. Dann sagte er mit so viel Nachdruck, wie es ihm möglich war: »Ich möchte, dass du mich über alles Ungewöhnliche auf dem Laufenden hältst.«
Fela neigte den Kopf leicht zur Seite. »Besteht Anlass zur Besorgnis?«
Bei dieser Frage überkam Hermann eine solche Wut, dass sich ihm regelrecht die Haare sträubten. Heiß schoss das Blut durch seine Adern. Hätte er eine Peitsche in der Hand gehabt, bei Gott, er hätte nach Fela geschlagen. »Was stellst du mir für Fragen?«, bellte er stattdessen. »Was fällt dir ein? Bist du mir gleichgestellt? Was gehen dich, einen Sklaven, die Sorgen deines Herrn an?«
Wieder huschte ein Lächeln über das Gesicht des Schwarzen, aber so flüchtig, dass Hermann glaubte, sich getäuscht zu haben. »Nein, Don, ich bin Ihnen nicht gleich«, erwiderte er. »Und ich werde melden, wenn sich etwas tut.« Er wartete einen Augenblick, dann fügte er hinzu: »Gilt das auch für die Kühe? Ich rechne in den nächsten Tagen mit einem Kalb.«
Das war eine Frechheit, eine so ungeheure Frechheit, dass Hermann nach Atem rang. Er konnte das Aufbegehren, den Spott auf der Haut fühlen, und wieder sträubte sich sein Haar. Doch was war an Felas Frage eigentlich falsch?
»Pass ja auf, mein Freund«, war alles, was Hermann zwischen zusammengepressten Zähnen hervorzischen konnte, dann griff er hart in die Zügel und sprengte davon.
Als Dr. Winkler gegangen war, setzte sich Mafalda zu Titine auf das Bett. »Das Ungeborene«, fragte sie leise und fasste nach Titines Hand. »Von wem ist es?«
Titine erwiderte nichts.
»Ist es von einem Trinidader Bürger?«
Wieder erhielt Mafalda keine Antwort, sondern nur einen flehenden Blick Titines. Frag nicht, hieß dieser Blick. Und Mafalda verstand. Beinahe verschlug es ihr den Atem. »Es ist also wirklich von Fela, dem Sklaven?«
Titine nickte.
Mafalda sog tief die Luft zwischen die Zähne, als hätte sie auf etwas ungeheuer Saures gebissen. »Von Fela«, flüsterte sie. »Ausgerechnet von ihm.«
»Ja. Ausgerechnet von Fela.« In Titines Stimme schwang Trotz. »Was ist gegen ihn zu sagen?«, fragte sie herausfordernd.
Mafalda erwiderte: »Das weißt du selbst. Er ist ein Sklave, nicht dafür gemacht, mit einer weißen Frau Kinder großzuziehen und mit ihnen als Familie zu leben.«
Titine schniefte verächtlich. »Ein Sklave ist ein Mensch wie jeder andere.«
»Verzichten wir auf diese Debatte. Wir wissen beide, dass du recht hast. Aber es nützt dir nichts, recht zu haben, solange alle anderen anders darüber denken. Wir leben auf Kuba, leben im Jahr 1868, und es ist einfach so, dass weiße Frauen, die von schwarzen Männern Kinder kriegen, als Huren abgestempelt werden.«
Wieder schnaufte Titine verächtlich und blickte Mafalda so trotzig an, als wäre die Schwägerin es, die ihr diese Liebe verbieten wolle. Mafalda reagierte nicht darauf, stattdessen fragte sie: »Was wirst du jetzt tun?«
Das blasse Mädchen richtete sich leicht in ihren Kissen auf. »Ich werde ihn heiraten.«
Der Blick, den sie Mafalda zuwarf, sprach mehr als diese vier Worte, und Mafalda begriff, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war, um mit Titine über das Leben an der Seite eines Sklaven zu sprechen.
Mafalda seufzte. So sagte sie nur: »Es ist verboten, dass Schwarze und Weiße einander heiraten. Das weißt du.«
In Titines Augen flackerte Empörung auf. »Andreas Winkler lebt mit seiner Sklavin seit Jahr und Tag wie ein Ehepaar. Niemand hat sich bisher
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