Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02
daß die Weissagung sich erfülle und daß der Sternenmann sich bereits rüste, Gorgrael gegenüberzutreten.
»Wo hält sich der Sternenmann denn auf?« wollte die Zaubererpriesterin sofort wissen.
Ramu zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Jack und Yr verhielten sich sehr zurückhaltend, als ich mehr über den Sternenmann erfahren wollte. Er hat sich wohl auch schon auf den Weg gemacht, aber aus den Worten der Wächter gewann ich den Eindruck, daß die Zeit für eine Begegnung mit ihm noch nicht reif ist. Vermutlich muß der Sternenmann erst noch die Mauern durchbrechen, die die Lügen um ihn errichtet haben.«
»Und was haben Euch die Wächter noch mitgeteilt, Bruder?«
Der Zaubererpriester sammelte seine Gedanken. »Sie sprachen von ihren beiden Gefährten, die mit dem Axtherrn der Axtschwinger ziehen, und über einiges andere. Doch dürften ihre weiteren Worte nicht so wichtig sein wie die junge Frau, die sie mitführten.« Ramu legte eine Kunstpause ein und blickte in die erwartungsvollen Gesichter. »Jack und Yr waren nicht ohne Grund zur Mutter gezogen. Nein, sie wollten ihr eine Ebenenbewohnerin, die junge Faraday, vorführen.«
»Was für ein Sakrileg!« zischte Barsarbe.
Aber Ramu hob eine Hand. »Das dachte ich im ersten Moment auch. Doch dann forderten die Mächte mich auf, die junge Frau einer Probe zu unterziehen, und das habe ich getan.«
»Ihr habt die Prüfung an ihr durchgeführt?« fragte Pease ungläubig.
Der Priester nickte. »Faraday erwies sich als ungeheuer stark. Meine Freunde, die Wächter glauben, wie inzwischen auch ich, daß es sich bei der jungen Frau um die Baumfreundin handelt. Der Wald hat für sie gesungen. So etwas hat sich seit Awarengedenken nicht mehr ereignet.«
Alle schwiegen ergriffen, weil sie diese Neuigkeit erst einmal aufnehmen mußten. Seit den Axtkriegen, in dessen Verlauf die Awaren hinter die Grenzberge abgedrängt wurden und der südliche Awarinheimwald den Äxten zum Opfer fiel, lebte in diesem Volk die Sage vom Baumfreund, der eines Tages erscheinen sollte. Ein Wesen, das die Awaren über die Grenzberge zurückführen und in die Lage versetzen sollte, sich selbst und den Wald auf den öden Ebenen bis hin zur Breitwallbucht wieder anzusiedeln. Aber daß es sich bei dem Baumfreund um eine Acharitin handeln sollte, um eine Nachfahrin der Soldaten also, die einst Awaren und Awarinheim fast ausgemerzt hatten, wollte den Mitgliedern des Geistbaum-Klans nicht in den Sinn.
Ramu erkannte in den Mienen seiner Klangenossen, welche Gefühle in ihnen aufwallten und welche Gedanken sie beherrschten.
»Nachdem ich Faraday der Probe unterzogen hatte«, fuhr er leise fort, obwohl er genau wußte, daß seine Gefährten gar nichts mehr darüber hören wollten, »zeigte ich sie der Mutter und verband sie dann mit ihr. Genau so, wie ich es danach mit Schra getan habe. Wir schritten über die Pfade des Heiligen Hains. Die Gehörnten erschienen, grüßten die junge Frau und nannten sie Baumfreundin.«
Hier hielt der Zaubererpriester inne, damit die Awaren erst einmal Zeit zum Überlegen hatten. Goldfeder hatte mit diesen Neuigkeiten nicht so große Schwierigkeiten wie die anderen. Die Awaren warteten schon seit langem auf die Ankunft des Baumfreundes und hatten stets alle Hoffnung auf ihn gesetzt. Aber nun traf es sie wie ein harter Schlag, als sie erfahren mußten, daß dieser Baumfreund aus den Reihen ihrer größten Feinde stammte. Goldfeder runzelte nachdenklich die Stirn, als sie den Namen Faraday hörte. Was hatte Ramu dem Axtherrn über diese Frau zugerufen? Aschure verstand erst recht kein Wort mehr und wirkte völlig verwirrt. Goldfeder gab ihr zu verstehen, daß sie ihr später alles erklären werde, und wandte sich wieder dem zu, was Ramu zu sagen hatte. Fürwahr, merkwürdige Zeiten schienen ihnen bevorzustehen.
»Wo steckt die Baumfreundin denn jetzt?« wollte Barsarbe schließlich, wenn auch zögernd, wissen.
»Sie reist in den Norden, zur Feste Gorken.«
Goldfeder hob jäh den Kopf und starrte den Priester an.
»Um dort ihren Verlobten zu heiraten, den Herzog Bornheld von Ichtar«, fuhr er gerade fort.
Goldfeder stöhnte erstickt und schlug die Hände vor den Mund. Sie wirkte so verstört, daß alle sie besorgt ansahen. »Was ist mit Euch, Goldfeder?« fragte Aschure erschrocken. Sie hatte die andere immer nur als gefaßt erlebt.
Goldfeder packte die Hand der Acharitin so fest, daß sie schon glaubte, die Knochen würden brechen. Sie verzog vor Schmerz das
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