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Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02

Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02

Titel: Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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wollte, was sie noch nie jemandem gezeigt, nicht über etwas sprechen, worüber sie noch nie zu jemandem gesprochen hatte. Aber wie sonst hätte Aschure diesen Leuten begreiflich machen können, daß sie sich sicher töricht verhalten hatte, ihr aber keine andere Wahl geblieben war? »Schaut her!« bat sie schließlich. Wenn ihr nichts anderes übrigblieb, dann mußte es eben sein. Umständlich löste sie die Haken am Rücken ihres Gewands, bis Goldfeder ihre Finger beiseite schob und sich selbst an die Arbeit machte. Sie öffnete Aschures Kleid bis zu den Hüften, erschrak über den Anblick, der sich ihr bot, und schlug den Stoff über die Schultern, damit alle den Rücken der jungen Frau betrachten konnten.
    »Schaut nur hin«, gebot Goldfeder und drehte Aschure herum.
    Alle hielten erschrocken den Atem an. Auf dem Rücken zeigten sich unzählige rote Narben, offenbar die Folge jahrelanger Prügelstrafen. Sie verliefen links und rechts von ihrem Rückgrat und verunstalteten die helle Haut der jungen Frau. Mit diesen Narben war Aschure fürs Leben gezeichnet. Langsam bedeckte Goldfeder den Rücken wieder mit dem Wollstoff und drückte die erstarrte Aschure an sich. So lange kannte sie die junge Frau nun schon und hatte nie auch nur eine Silbe darüber erfahren. Sie sah Barsarbe herausfordernd an. »Nun, was sagt Ihr jetzt?«
    Die Zaubererpriesterin zeigte sich entsetzt. In ihrer ganzen Laufbahn als Heilerin war ihr so etwas noch nie zu Gesicht gekommen. Kindesmißhandlung war bei den Awaren fast gleichbedeutend mit Mord. Aber rechtfertigten selbst grausame Schläge eine Mordtat?
    Schra kletterte vom Schoß ihrer Mutter und trat auf ihren wackligen Beinen zu Aschure. Sie berührte die Acharitin an der Stirn, warf einen Blick auf Ramu und verkündete mit lauter, klarer Stimme: »Angenommen.«
    Der Zaubererpriester runzelte fragend die Stirn. »Was soll das heißen, Schra?«
    »Angenommen«, wiederholte das Kind fast schon wütend.
    Aschure hob den Kopf, und in ihren Augen stand immer noch die Scham darüber zu lesen, den Awaren ihren nackten Rücken gezeigt zu haben. »Nachdem mein Vater … gestorben war … hat Schra etwas sehr Sonderbares getan …«
    »Was denn?« fragten Ramu und Barsarbe wie aus einem Mund.
    »Sie tauchte ihre Finger in Hagens Blut, strich mir schließlich damit über die Stirn und sagte: ›Angenommen.‹«
    Goldfeder wandte sich gespannt an die beiden Priester. »Was bedeutet das?«
    »Das weiß ich nicht so genau«, meinte Ramu. »Vielleicht nahm sie Hagens Tod als Opfer an die Mutter an. Wirklich eigenartig. Ich habe keine Ahnung, was das Kind uns damit sagen will.«
    Die Kleine stellte sich neben Aschure und betrachtete ihre Sippe mit großen dunklen Augen. Ramu fuhr langsam fort: »Ich weiß nur eines: Wenn diese Menschenfrau nicht gewesen wäre, säßen Schra und ich jetzt nicht hier. Aschure hat großen Mut bewiesen, zuerst als sie versuchte, unsere Haft etwas erträglicher zu machen, und dann, als sie uns aus der erbärmlichen Zelle befreite. Ich sage, laßt diese Frau für eine Weile bei uns bleiben. Sie kann wirklich nicht mehr zurück. Wenn der Klan damit einverstanden ist, tragen wir den Fall der Jultidenversammlung vor. Soll sie entscheiden, wie schwer die von ihr begangenen Gewalttaten wiegen.«
    Barsarbe holte tief Luft, dachte kurz nach und nickte dann. »Ich beuge mich Schras Urteil, die keine Bedenken gegen Aschures eingesetzte Mittel zu haben scheint. Ich anerkenne auch, daß sie Ramu und ihr das Leben gerettet hat. Aber ich kann mich nicht so einfach damit abfinden, daß dabei zu Gewalt gegriffen wurde. Allerdings unterstütze ich Ramus Vorschlag. Soll Aschure eine Weile bei uns bleiben. Dann lassen wir die Jultidenversammlung entscheiden, wie der Mord an ihrem Vater und der Anschlag auf den Axtschwinger zu bewerten sind.«
    Grindel nickte. »Einverstanden. Ihr dürft vorerst bei uns bleiben, Aschure. Seid in unserem Klan willkommen.« Zum ersten Mal lächelte der Häuptling sie an, und dabei verlor seine Miene all ihre übliche Strenge. Schra hatte die junge Frau aufgenommen, und wenn er ihre Gründe dafür auch nicht kannte, so würde er sich doch ihrem Urteil nicht entgegenstellen.
    Aschure lächelte erleichtert. Zumindest konnte sie eine Weile bei diesem Klan bleiben. »Vielen Dank«, flüsterte sie leise. »Habt vielen Dank.«

4 D IE A NLEGESTELLE BEI J ERVOIS

    Nach fast zwei Wochen sahen Jack, Yr, Faraday und Timozel nebst diversen Schweinen Jervois am Fluß Nordra

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