Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02
Geistes zurückzuschicken. Nein, dachte sie, ich will mich nicht mit ihm befassen, niemals. Er ist gestorben … tot …
»Was hat das zu bedeuten?« fragte Barsarbe, blickte unglücklich drein und bewegte ziellos die Hände in ihrem Schoß. »Das ist doch vollkommen unmöglich, oder?«
Ramu nahm ihre Hände zwischen die seinen. »Wir müssen dies unbedingt auf dem Jultidentreffen berichten. Je eher die Awaren und Ikarier darüber beraten können, desto besser.«
Grindel nickte, wirkte aber keineswegs beruhigt. »Ramu, wir müssen innerhalb der nächsten Tage ins nördliche Awarinheim aufbrechen. Fühlst du dich bereits in der Lage, mit uns zu reisen?«
Der Zaubererpriester setzte eine entschlossene Miene auf. »Irgendwie werde ich es schon schaffen. Mit einem Paar Krücken ausgerüstet, komme ich sicher leidlich vorwärts.«
»Wir könnten für Euch einen Schlitten bauen«, meldete sich Helm zum ersten Mal zu Wort. »Uns macht es nichts aus, Euch zu ziehen. Die Wege zum Norden sind offen und stellen uns vor keine großen Schwierigkeiten.«
Der Klanhäuptling sah seinen Erstgeborenen voller Stolz an. »Gut gesprochen, Helm. Eines Tages wird aus dir ein hervorragender Führer deiner Sippe werden.«
Stolz schwellte die Brust des Jünglings, und seine Schwestern warfen ihm bewundernde Blicke zu. Auch seine Mutter konnte nicht verhehlen, wie gut geraten er ihr erschien.
»Äh …« begann Aschure zögernd. Sie wollte nicht schon wieder übel auffallen, weil sie ungebeten das Wort ergriff, aber schließlich brauchte sie Klarheit, was aus ihr werden würde. »Was ist mit mir? Darf ich mit Euch reisen? Ich kann unmöglich nach Smyrdon zurück.« Grindel hatte ihr erlaubt, so lange beim Klan zu bleiben, bis Ramu seine Geschichte erzählt hatte. Das war nun geschehen, und nun stellte sich erneut die Frage nach Aschures Zukunft.
Barsarbe sah die Menschenfrau nachdenklich an: »Vielleicht solltet Ihr uns besser mitteilen, warum die braven Bürger Smyrdons Euch nicht eben mit offenen Armen willkommen heißen würden.«
Aschure fuhr sich über die Lippen und befürchtete, die Awaren könnten die genauen Umstände nicht so recht verstehen, die zum Tod ihres Vaters geführt hatten. Gerade die Zaubererpriesterin hatte nicht sehr verständnisvoll gewirkt, als Goldfeder ihr berichtete, die junge Frau habe zu Gewaltmaßnahmen gegriffen, um Ramu zu befreien. Aschures Blick wanderte unruhig über die Gesichter des Klans. Sie sah ihre erwartungsvollen Mienen und fühlte sich sehr allein. Die Acharitin wandte sich nun an Goldfeder, aber sie schien so sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt zu sein, daß von ihr weder Trost noch Hilfe zu erwarten war.
»Nun, ich habe Ramu und Schra zum Entkommen verholfen. Allein schon aus diesem Grund würden sie mir mit einigem Groll begegnen. Aber …« Sie starrte auf ihre Hände und reinigte unbewußt die Fingernägel von eingebildeten Blutflecken. In diesem Moment hätte sie niemandem in der Runde in die Augen schauen können. »Aber viel schwerer dürfte für die Bürger wohl wiegen, daß ich bei den Fluchtvorbereitungen durch einen dummen Zufall den Tod meines Vaters mitverschuldet und den Axtschwinger bewußtlos geschlagen habe, der Ramus Zelle bewachte.« Sie riß den Kopf hoch und hoffte inständig, wenigstens etwas Verständnis zu begegnen. »Ich wollte den beiden doch unbedingt zur Flucht verhelfen und war ganz verzweifelt. Bitte versteht mich doch!«
Aber ihr schlechtes Gewissen in bezug auf die Ermordung Hagens und die schwere Verwundung Belials malte sich zu deutlich auf ihrem Gesicht. Barsarbes Herz verhärtete sich.
»Gewaltanwendung führt stets zu Kummer und Leid, Aschure«, erklärte die Zaubererpriesterin mit kalter Stimme. »Eure Tat hat den Tod Eures Vaters hervorgerufen. Auch wenn Ihr nicht vorsätzlich gehandelt haben mögt, so bleibt doch ein Toter zurück.« Die Awaren mochten zwar ein wildes Leben führen, verabscheuten jedoch jede Form von Gewalt, und erst recht einen Mord. Man traf bei diesem Volk überhaupt selten brutales Verhalten an.
Die junge Frau senkte das Haupt und wagte vor Scham nicht, Barsarbe anzusehen. »Hagen war ein gewalttätiger Mensch«, versuchte sie sich zu verteidigen. »Seit meine Mutter davongelaufen ist, hat er mich mißhandelt und war auch sonst schlecht zu mir. Ich wollte ihn nicht umbringen … aber … ich hatte doch solche Angst, er könne Schra etwas antun. Hagen hat …« Sie hielt inne, weil sie den Awaren nichts zeigen
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