Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02
sicher zum Herzog zu bringen. Allerdings fragte er sich manchmal, ob Faraday wirklich bei klarem Verstand ihre Entscheidung getroffen hatte, als sie zu dieser Jahreszeit ihren Verlobten erreichen wollte. Andererseits bestätigte sich der Jüngling immer wieder, wie richtig es von ihm gewesen war, ihr Ritter zu werden. Artor selbst mußte seine Hand im Spiel gehabt haben, als Timozel von Axis und den Axtschwingern getrennt worden war. Je weiter er sich von seinem General entfernte, desto deutlicher erkannte er, daß er seine Talente bei der Elitetruppe vergeudete, ja daß er dort daran gehindert worden war, sie zu entfalten. Und schlimmer noch, Axis, sein Befehlshaber, hatte seine Mutter entehrt und das Andenken an seinen Vater befleckt. Kein Wunder, daß dieser Mann dem Sohn seiner Buhle jede Gelegenheit verwehrt hatte, in der Truppe voranzukommen. Der Jüngling straffte sich, als er an all die Möglichkeiten dachte, die sein neues, sein freies Leben nun für ihn bereithielt. Erst der Ritter einer vornehmen Dame und später der Feldherr der mächtigsten Armee, die diese Welt jemals gesehen hatte. Ja, er würde seinem Obersten Kriegsherrn Bornheld ebenso getreulich dienen wie jetzt dessen Braut. Jawohl, schwor er sich und warf einen Blick zurück auf Faraday. Sie saß warm eingehüllt und zusammengeduckt gegen die Kälte auf ihrem Pferd. Timozel sagte sich immer wieder, daß seine neuen Aufgaben viel bedeutsamer und damit männlicher seien als alles, was ihn unter Axis erwartet haben würde.
Während er durch den Schnee ritt und sich an seinen Gedanken wärmte, schenkte Artor ihm die Gnade eines weiteren Ausblicks auf den Ruhm, der ihn eines Tages erwartete.
Eine gewaltige und entscheidende Schlacht war geschlagen und die Stellungen des Feindes überrannt. Feldherr Timozel hatte nicht einen einzigen Mann verloren.
Ein neuer Tag, ein neues Gefecht. Der Gegner setzte heute schurkischerweise Magie ein, und Timozels Truppen wurden davon empfindlich getroffen … aber der jugendliche Feldherr ließ sich deswegen noch lange nicht den Sieg nehmen. Der Feind und sein verwundeter General floh in Scharen.
Und noch ein Tag, und das Kämpfen war vorüber. Timozel saß mit seinem Oberbefehlshaber vor dem Kamin. Faraday hatte sich zu ihnen gesellt. Alles war gut. Und Timozel hatte das Licht und seine Bestimmung gefunden.
Alles war gut …
Bornheld würde ihm dabei helfen, Größe und Ruhm zu erlangen. Dessen war der Jüngling sich vollkommen sicher. Denn schließlich würde er für ihn all seine Siege erfechten.
Timozel fragte sich, ob er dem Herzog berichten sollte, was er über die Wächter und das Sternentor in Erfahrung gebracht hatte. Doch wenn er auch noch von den merkwürdigen Wesen und Orten erzählte, die er gesehen hatte, würde er damit vielleicht nur den Argwohn Bornhelds wecken. Und schlimmer noch, wenn Timozel einmal damit anfing, würde er vielleicht Gorgrael und den Pakt erwähnen müssen, den er mit ihm geschlossen hatte. Dann würde der Oberste Kriegsherr ihm niemals das Kommando über seine Armee übertragen. Da wäre es doch klüger und sicherer, die ganze Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Schwärzeste Verzweiflung befiel den Jüngling immer noch, wenn er daran dachte, wie er sich dem Zerstörer verpflichtet hatte. Nur solange er Faradays Ritter blieb, konnte er ihm entgehen. Und seine großen Taten vollbringen, von denen noch in späteren Generationen an den Höfen gesungen würde.
Tag für Tag veränderte sich Timozel mehr. Die Vision, die ihn zum ersten Mal im Grab des neunten Klauenfürsten – einem so furchtbaren Zauberer, daß die Ikarier seinen Namen nicht auszusprechen wagten – überkommen hatte, hatte sein Innerstes verwirrt und verdunkelt. Hatte der Jüngling vorher Axis’ Verhalten nur milde getadelt, so entstand nun langsam eine tiefe Ablehnung in ihm, die wie eine offene Wunde in ihm schwärte. Seine Fähigkeit, zwischen Gut und Böse, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden, hatte er völlig eingebüßt.
Als sie schon glaubten, die ganze Welt sei unter dem sonnenlosen Himmel erfroren, erreichten sie endlich ihr Ziel. Stadt und Feste Gorken lagen beinahe vollständig unter Eis und Schnee begraben. Die Türme der Stadt und der Burg funkelten unter einer Frostschicht. Die Festung saß wehrhaft auf einer Anhöhe, während der Ort sich an den Fuß ihrer hohen Mauern schmiegte. Zwanzig Meter dick erhoben sich die schwarzen Steinmauern vor den Eisdachalpen. Die Fundamente waren
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