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Sternendieb - Roman

Titel: Sternendieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Wartesaal oder ein Asyl für professionell abgewirtschaftete Künstler. Wenn man auf der Liste am Nash-Pavillon ganz unten angekommen war, war man eben reif für das Möbiusband.
    Gerade trat ein Mann auf, ein kurzer, rundlicher Mann, ziemlich gut aussehend, wie Tabea fand, die ihn unwillkürlich in Augenschein nahm, als sie eintrat. Auf seiner Schulter saß ein Papagei, augenscheinlich ein leibhaftiger. Der Mann spielte irgendein Instrument, der schwirrende Lärm verschluckte die Musik.
    Sie ging zur Bar hinüber. Heidi hatte Dienst. »Ich suche einen Mann namens Trista«, sagte Tabea.
    »Er ist gegangen.«
    Tabea stöhnte. Was hatte sie denn erwartet? »Heidi, hast du eine Ahnung, wo ich ihn aufgabeln kann?«
    »Callisto«, sagte Heidi, während sie den Tresen wischte.
    »Mist.« Tabeas Stimme hatte einem Anflug von Wärme. »Er hat im Netz inseriert, es ging um einen Job, den er erledigt haben wollte. Weißt du vielleicht was darüber?«
    Heidi schüttelte den Kopf. Ihr Blick huschte immer wieder zur Bühne. Der Mann hielt die Arme nach beiden Seiten ausgestreckt, und der Papagei lief über die Schultern von einem Arm zum anderen.
    »Nicht schlecht, was?«, sagte Heidi.
    »Ich höre zu wenig«, sagte Tabea.
    »Ich rede nicht von der Musik.«
    Tabea schenkte ihr ein frostiges Lächeln. Aber dann taxierte sie den Mann.
    Jetzt konnte sie durch Rauch und High-Tech-Glamour erkennen, was er tat. Er war Handschuhspieler. Er sang, irgendjemand sang jedenfalls. Seine Lippen schienen sich nicht zu bewegen. Hübsche Lippen, schön geschwungen, und die Augen waren braun und sehr rund. Und die ganze Zeit, während sie ihn beobachtete,
dachte Tabea in einem Winkel ihres Hirns: Vierundzwanzig Stunden. Bastarde.
    Sie sagte: »Kennst du einen, der’nen Frachter braucht?« Das hatte man ihr noch nie angetan, damit zu drohen, ihr das Schiff wegzunehmen. Nicht auszudenken, wenn Alice den Bullen in die Hände fiel.
    »Und der kein Keck ist«, setzte sie hinzu.
    Sie ließ von dem Mann auf der Bühne ab und verschaffte sich einen flüchtigen Überblick über die Spieler, Schieber und Gauner. Unter dem spiegelnden Fensterglas neben dem Eingang war irgendein kompliziertes Dominospiel im Gange, dicke Bündel aus alten Geldlappen wechselten in raschem Tempo den Besitzer. Raritäten. Hoch gefährlich. Ein Giftkurier teilte sich einen Krug Bier mit einem »Gondoliere«. Am Musikgenerator posierten zwei ausgelassene Schranten, Dreijährige in cremefarbenem Lederdress. Sie trugen Sonnenbrillen und spielten mit ihrem Lakritzlikör herum.
    »Wer denkt jetzt schon ans Geschäft«, sagte Heidi. »Wir haben Karneval. Was trinkst du?«
    Tabea seufzte. »Ein Bier«, sagte sie.
    Heidi zählte in einem Atemzug sieben Sorten auf.
    »Was dir am bequemsten ist«, sagte Tabea.
    Carlos würde jemanden wissen. Sie ging zur Datenhaube, die sich in der Treppe zum Kellergeschoss unterhalb der Bühne befand. Im Vorbeigehen stellte sie fest, dass es der Vogel war, der das Lied sang. Er sah zwar aus wie ein Papagei, aber er hörte sich nicht so an. Er konnte richtig singen. Er sang mit einer süßen, tremolierenden Stimme über einen gelben Vogel hoch oben in einer Curasca-Bananenstaude.
    Carlos war nicht da. Sie hinterließ, dass sie ihn später noch einmal anriefe. Wahrscheinlich würde sie es aber bleiben lassen. Nur
um herauszufinden, dass sie alle zum Karneval hierhergeflogen waren? Da war es billiger, gleich selbst nach Phobos oder Langleben zu fliegen.
    Sie trank ein Shak und sah dem Handschuhspieler zu. Er war irgendwie appetitlich. Gebräunt, gepflegt, glänzend schwarzes Haar. Er trug eine rotweiße Nadelstreifenbluse, falsche Hosen und Leinenschuhe. Außerdem schien er Talent zu haben, obwohl der neuronale Cyberhandschuh schon nicht mehr das Nonplusultra war, auch nicht für Schiaparelli, wo man immer ein wenig hinterherhinkte. Der Klang war satt, elektronisch glatt und flüssig, aber mit einem Tremolo gefiedert, das so fein war, dass die einzelnen Noten fast miteinander verschmolzen. Die Melodie stieß aus schwindelnder Höhe herab und zersprang in zwei harmonisch umeinandertanzende Läufe. Die Leute klatschten Beifall. Der Mann lächelte. Der Vogel hockte jetzt auf seiner Schulter, schmiegte sich mit geschlossenen Augen an seine Wange und verfiel in einen unheimlichen und schmachtenden Singsang.
    Heidi wischte um Tabeas Ellenbogen herum.
    »Noch’n Bier?«, sagte sie.
    »Okay.« Tabea stürzte es hinunter. Das Bier, noch mal bei Carlos probieren

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