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Sternendieb - Roman

Titel: Sternendieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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selbst die Polizei ließ einen in Ruhe. In der Frühe konnte es sein, dass man durch ein streunendes Lama geweckt wurde, das einen neugierig beschnupperte, und ringsherum schrantische Kokainhändler ihre Stände aufschlugen.
    Man blinzelte, zog seine Stiefel an und wankte über den Marktplatz, klaute sich von den alten Weibern ein Fladenbrot, zog durch die Arkaden und nahm die Witterung von Röstkaffee auf. In den Obergeschossen lehnten sich die Leute aus dem Fenster, um mit ihren Nachbarn zu schwätzen, die auf dem Kanal vorüberkamen. Über den hundertneunundneunzig kleinen Rückstaubecken hing ihre farbenfrohe Wäsche, steif und starr in der rauen Morgenluft. Während man über die Kupferbrücke ging, schob sich die Sonne über die Dachfirste, hell wie Butter in einem zimtfarbenen Himmel. Robottender brummten emsig auf dem Wasser herum. Drüben in den Hamishawari-Parks begannen die Brunnen zu speien.
    Für jene Menschen, die lieber in den Raum hinauswollten, als sich im Orbit einzurichten, war der Mars der erste große Gewinn, den ihnen das Geschenk der Raumfahrt bescherte. Capellanische Hände leiteten die Unternehmungen, capellanische Maschinen vollendeten die Bauten, doch die Ausführung lag in den Händen der Erdenmenschen, und ihnen, den nächsten Nachbarn Capellas, sollte das ganze Projekt der Besiedlung und Bewirtschaftung des Mars zugutekommen. Ihr Enthusiasmus war verständlich. Mit einem Mal hatten sie freien Zutritt zu einem neuen Planeten, und
nicht nur das, sie konnten auch frei über ihn verfügen. Der Mars war unbewohnt, er war verlassen. Herrenlos.
    Man kann sich das nur schwer vorstellen, jetzt, wo die Vergangenheit des Roten Planeten in unzähligen Silizitreproduktionen zu bestaunen ist und in eher fantasievollen als archäologisch fundierten Rekonstruktionen seiner Ureinwohner. Aber zur Zeit des Großen Schrittes waren die berühmten Kanäle eben die einzigen Zeugnisse jener einst stolzen Rasse von Architekten und Ingenieuren gewesen.
    Und dieses Kanalsystem war trotz seiner beeindruckenden Größe in einem bedauerlichen Zustand: Der Treibsand hatte die Kanäle erstickt, und die langen harten Marswinter hatten die Kanalbetten reißen und die Uferbänke zerbröseln lassen. Wo die Kanäle sich zwischen unwegsamen Tälern und mit Steinblöcken übersäten, sandigen Lavaplateaus verloren, gaben sich die ersten Forscher geschlagen und zogen sich wieder zurück. Sie waren außerstande, sich in dem unübersichtlichen Gelände zu orientieren. Man brauchte den kundigen Blick eines capellanischen Beraters, um in dieser Wildnis aus Basalt und Schiefer einen Schlüssel zur Vergangenheit des Mars zu finden. Und so zog man, dem Fingerzeig der Capellaner folgend, schließlich hinaus in die unwirtliche Wüste und begann mit den Grabungen. So und nicht anders ist man auf die riesigen, fugenlosen Blöcke und Platten der versunkenen Stadt gestoßen.
    Um sie vor den Sandstürmen zu schützen und für die Menschen zu klimatisieren, errichtete man eine Kuppel über der Stadt. Man nannte die Stadt Schiaparelli, zu Ehren eines legendären Astronomen. Andernorts war man dabei, die Vulkane von Tharsis zu vermessen, das Argyre-Becken trockenzulegen und ganze Redwood-Wälder zu roden. Auf dem Mars herrschte eine Gravitation, mit der es sich leben ließ; hier war der Horizont zum Greifen nah. Mit
den primitiven Mikroklima-Generatoren, die frisch aus den orbitalen Fabriken von Domino Valparaiso geliefert wurden, weckte man die schlummernde Ökologie und schüttelte sie rüde durch. Auf den rostroten Dünen sprossen verkümmerte Kandelaberkakteen. Prospektoren, die in die Stadt zurückkehrten, schwatzten von grünen Oasen, und zogen wieder hinaus in die Wüste, nur um zu entdecken, was marsianische Frostbeulen waren.
    Die Jahre waren lang, die Gesellschaft war bunt, und wenn die Atmosphäre rau war, na wenn schon, dadurch bekam das ganze Unterfangen erst die richtige Würze. Die Gegenwart der capellanischen Führungskräfte und der eladeldischen Polizei erschien einem gar nicht mehr so deprimierend, wenn man mitbekam, wie manche Dickköpfe ihr Leben verloren. Aus keinem anderen Grund wurde der Rio Maas durch Planwagen erschlossen und nicht durch Flugzeuge und Raupenfahrzeuge; Letzteres wäre viel zu gefährlich gewesen. Seeleute, die in einen tückischen Sandsturm gerieten oder in der Meerenge von Mithridates kenterten, wurden meist aufgegeben. Die Capellaner rieten von Rettungsaktionen ab. »Sie kannten das Risiko«, sagten

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