Sternendieb - Roman
Geldstrafe ausfallen? So schlimm würde es schon nicht sein. Vielleicht konnte sie ja ein paar Frachtbuchten gegen den Quarz tauschen und ganz legal noch ein paar Stangen Marihuanazigaretten befördern, um an das Geld für die Strafe zu kommen. Schöner Mist, dass die Verabredung mit Trist geplatzt war, aber es gab bestimmt noch andere Kunden.
Musste es einfach geben, denn sonst war sie aufgeschmissen.
Tabea begann sich zu langweilen. Es gab nichts zu tun. Ihr fiel die Mundharmonika ein, aber ausgerechnet die gehörte nicht zu den Dingen, die in der Tasche waren. Sie erinnerte sich an ihren Arrest auf Rechtschaffenheit II. Da hatten die Zellen wenigstens Musik gehabt. Obwohl man da auch irgendwas in die Luft gepustet hatte, was einen lethargisch machte. Blueray-Recorder in den Zellen, das wäre eine gute Idee. Wieso hatte das nicht längst jemand angeregt, jemand von den Insassen.
Tabea gähnte. Sie rollte sich zusammen, mit dem Gesicht zur Wand, und schloss die Augen.
Die Zeit kroch dahin. Tabea war todmüde, konnte aber nicht einschlafen. Hin und wieder vernahm sie Schritte und undeutliche Stimmen, das Summen von Robotern. Einmal hörte sie einen gellenden Schrei und heftiges Rasseln und Scheppern. Bei einem
anderen Laut, einem anhaltenden Pfeifton, sehr schwach und hoch, konnte sie nicht mit Bestimmtheit sagen, ob er aus den Wänden kam oder in ihren Ohren entstand. Sie ertappte sich dabei, wie sie mit dem Finger einer blassen silbrigen Spur folgte, dort, wo auf der Wand ein Graffiti übermalt worden war. Sie wusste nicht, wie lange sie schon so dalag. Hier schien die Zeit stillzustehen, wie im Weltraum. Die Betonwände sperrten die Zeit aus, wie Wände aus Sternen.
Plötzlich öffnete sich die Tür.
Sie stützte sich mit einem Ellenbogen hoch.
Es war ein Polizist. Sie konnte nicht sagen, ob es der war, der sie gebracht hatte, oder ein anderer.
»Jute, Tabea, Kapitän«, sagte er.
Daten liefen vertikal über sein Visier, ordneten sich, erstarrten.
»Stehen Sie auf«, sagte er.
Ohne jedes Zeichen von Hast folgte sie dem Polizisten.
Die Kommissarin lauschte ihren Ohrhörern. Sie legte ein unerwartet sachliches Verhalten an den Tag. Offenbar hörte ihr jemand zu: »Jute, Tabea, Kapitän. Ständiger Wohnsitz ist ein Schiff, das im Hafen von Schiaparelli angelegt hat. Bergen-Kobold, Zulassung B GK009059.«
»Richtig«, sagte Tabea, als handelte es sich bei dieser Formalie um eine Frage.
»Schwerer tätlicher Angriff, Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, Erregung öffentlichen Ärgernisses, Gefährdung der friedlichen Koexistenz der Rassen, dito der Bürger, schwerer Sachschaden, Verstoß gegen die innere und äußere Staatssicherheit, uneinsichtiges Verhalten. Zweihundertundfünfzig Skutari«, sagte die Beamtin mit einem breiten Grinsen.
»Wie viel?« Das war das Dreifache von dem, was sie erwartet hatte.
»Binnen vierundzwanzig Stunden haben sie das Geld zu überbringen oder online anzuweisen.«
»Ja, ja, ja.«
»Sonst pfänden wir das Schiff.«
6
Das Möbiusband liegt am Südufer des Canal Grande, etwa einen Kilometer vom Höllentor entfernt, zwischen der Kirche von der Befohlenen Panspermie und dem ›Frutti di mare‹. Heute, nach ihrer berüchtigten Glanzzeit, ist die Bar ein bevorzugter Treffpunkt für die weniger aufgeklärten Besucher Schiaparellis, die sich gerne in dem Glauben wiegen, sie hätten in der Stadt eine Nische aufgetan, in der sich noch etwas vom historischen Flair der Pionierzeit gehalten hatte. Tatsächlich hatten die ersten Besitzer, Auswanderer von Europa, die die Nostalgiewelle vorausgeahnt hatten, das Glasfaserdekor vor dem Einbau auf alt getrimmt, indem sie es für eine Woche der Wüste ausgesetzt hatten.
An dem Abend, da Tabea Jute endlich ihre Hand auf den zerbeulten Aluminiumknauf der Tür legte, war das Möbiusband noch ein Strip mit feuchtfröhlichen Etablissements, das die sozialen Bedürfnisse jener befriedigte, die es vorzogen, ihre Geschäfte in einer weniger seriösen Atmosphäre abzuwickeln. Huren jeglichen Geschlechts, bionisch erweiterte und naturbelassene, trafen sich hier vor und nach der Schicht mit ihren Zuhältern, Dealern und mit ›privilegierten‹ Kunden. Am schummrigen Ende der Bar unterhielten pensionsreife Netzjournalisten einen ständigen Außenposten, um den neuesten Klatsch und Tratsch aufzuschnappen, das Einzige, was sie ihren Sendern noch zu bieten hatten. Am anderen Ende befand sich eine niedrige Bühne, gleichsam eine
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