Sternendieb - Roman
und dann nichts wie weiter. »Bin gleich zurück, Heidi«, sagte sie und ging zum Fon.
Carlos war immer noch nicht da. Sein lächelndes Gesicht bat sie, Name und Nummer zu hinterlassen. Sie schlug mit dem Handballen gegen die Wand.
»Du bist sicher irgendwo auf einer Party, Carlos. Hoffe, du amüsierst dich, denn von mir kann ich das nicht behaupten.«
»Falsche Nummer?«, fragte eine Stimme von oben.
Sie sah hoch. Es war der Handschuhspieler mit seinem Vogel, der die Stufen herabkam. Sein Auftritt war zu Ende, und er kehrte in den feuchten und schmutzigen Keller zurück, den zu renovieren
das Management sich weigerte, angeblich, um die »klassische Atmosphäre« zu erhalten.
»Richtige Nummer, aber falscher Planet«, sagte sie.
Er erreichte den Absatz in der Treppenmitte, stellte sich hinter sie und blickte über ihre Schulter auf das kleine Display mit dem Konterfei von Carlos. Tabea nahm den Geruch des Vogels wahr. Er roch sogar wie ein Papagei.
»Der Bursche hat sie versetzt? Er hat sie nicht mit auf die Party genommen? Das haben Sie doch eben gesagt, oder? Ich meine, verzeihen Sie, Sie müssen wissen, es ist nicht meine Art, anderen Leuten beim Chatten zuzuhören. Ich kam nur zufällig die Treppe runter und konnte nicht …«
Der Vogel reckte den Hals und gab urplötzlich einen lautstarken, trillernden Dauerton von sich wie ein Feuermelder. Tabea fuhr unwillkürlich zusammen.
»Sei still, Talo! Talo, still jetzt!«, schimpfte der Musiker und schlug mit dem Handschuh nach dem Tier. »Wirst du wohl still sein? He, Talo?« Der Vogel verstummte so jählings, wie er mit dem Lärm begonnen hatte.
»Das ist Talo«, sagte der Handschuhspieler. »Bitte verzeihen Sie. Künstlerisches Temperament, wissen Sie. Sehr, sehr sensibel. Ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen, ich bin Marco, Marco Metz. Wie bitte?«, sagte er, obwohl Tabea kein Wort gesagt hatte, und fuhr im selben Atemzug fort: »Ach! Sie haben schon von mir gehört?«
»Nein«, antwortete Tabea. Aus der Nähe sahen seine Augen noch süßer aus.
»Sie sind wirklich gut«, meinte sie.
»Das bin ich«, sagte er. »Ja, ich bin wirklich sehr gut. Ich meine, man hat’s eben oder man hat’s nicht. Ja, doch, das bin ich, sehr gut. In der Tat. Aber woher sollten Sie mich auch kennen? Sie sind
eine viel beschäftigte Frau, ich bin ein viel beschäftigter Mann, und dieses System ist nicht gerade das kleinste …«
Und während er weiter leere Phrasen drosch, tastete sein Blick ihren Körper ab. Sie hatte sich noch nicht die Zeit dafür genommen.
Jetzt packte sie die Gelegenheit beim Schopf. »Talo?«, sagte sie und zeigte auf den Papagei.
»Richtig, ja.«
»Darf man ihn streicheln?«
Er zuckte leicht mit den Achseln. »Es sind Ihre Finger«, lachte er. »Nein, nein, ich wollte Sie nur aufziehen. Gewiss doch. So. Sehen Sie?«
Sanft nahm er ihre Hand in seine. Die Berührung war warm und trocken. Er hob ihre Finger an den Kopf des Papageis und fuhr mit ihnen über den Rücken des Vogels. Talo ruckelte ein wenig hin und her.
»Wo kommt er her?«, wollte sie wissen.
»Der? Von sehr weit her. Ein richtiger Zungenbrecher. Sehen Sie nur, nicht einmal er kann es aussprechen. Heh«, sagte er und brachte sein Gesicht ganz nahe an das des Vogels heran. »Sie will wissen, wo du herkommst. Sehen Sie, sogar er kann es nicht aussprechen.«
»Schuhcreme!«, flötete der Vogel plötzlich. »Intrigen im Corps de ballet. Intrigen in den Schuhen!«
Beide waren sie überrascht und lachten.
»Er ist ein bisschen nervös«, sagte Marco.
Tabea strich dem Vogel noch einmal über den Kopf. »Trinkt er?«
»Talo? Nein.«
»Und Sie?«
»Aber ja doch.«
»Wir sehen uns an der Bar«, meinte sie.
Als er sich drei Minuten später ohne Vogel zu ihr gesellte, sagte er: »Also Sie … Sie sind also wegen des Karnevals hier?«
»Nein, ich suche Arbeit. Ich komme eben von Chateaubriand.«
»Im Gürtel?« Er betrachtete sie mit neuem Respekt, wie die Leute es immer taten, wenn sie so etwas erwähnte. »Was für eine Art Arbeit war das?«, wollte er wissen.
»Nur eine Lieferung für ein Pharmaunternehmen. Hauptsächlich Ballonflaschen mit Cirripedia-Serum unter Vakuumverschluss. Nichts Besonderes.«
»Sie sind also Frachtpilotin?«
»Ich bin Frachtpilotin.«
»Sie arbeiten für dieses Pharmaunternehmen?«
»Ich arbeite für jeden, der zahlt.«
»Was? Sie haben ein eigenes Schiff?«
»Ich habe mein eigenes Schiff«, sagte Tabea. Er war sichtlich beeindruckt. Nach all
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