Sternenfall: Roman (German Edition)
hatte sich nach einem neuen Beruf umgesehen.
Der Besuch einer Universität sollte eine Vorbereitung auf das spätere Leben sein. In Ambers Fall hatte sich ihre Abneigung gegenüber den meisten Studienfächern nur verstärkt. Die einzige Vorlesung, an der sie während ihres ersten Jahres Freude hatte, war eine Einführung in die Astronomie.
Wie die meisten Lunarier, so hatte auch Amber dem Himmel niemals viel Beachtung geschenkt. Lunas unterirdische Städte boten wenig Gelegenheit zur Beobachtung der Sterne. Und da Amber auf Nearside aufgewachsen war, hatte die Erde, wann immer sie die Gelegenheit zur Himmelsbeobachtung wahrgenommen hatte, den Ausblick dominiert. Verglichen mit der Wiege der Menschheit erschienen die winzigen Lichtpünktchen, die die Sterne waren, blass und unbedeutend.
Die Einführung in die Astronomie hatte ihr für das Universum jenseits von Luna die Augen geöffnet. Sie hatte den spiralförmigen Schwung der Andromedagalaxis bestaunt, hatte sich von der strahlenden blauweißen Pracht der Plejaden beeindrucken lassen und hatte über der stillen vielfarbigen Schönheit des Pferdekopfnebels geseufzt. Jede neue Entdeckung hatte ihren Wunsch verstärkt, mehr lernen zu wollen. Und so hatte Amber nach ihrem ersten Studienjahr Astronomie als Hauptfach gewählt, wobei der Wechsel einen Notbehelf darstellen sollte, bis sie etwas Dauerhaftes gefunden hätte.
Drei Jahre später – und ein wenig zu ihrer eigenen Überraschung – erhielt Amber den Bakkalaureus der Astronomischen Wissenschaften. Gleichzeitig wurde ihr eine Stelle am Farside-Observatorium angeboten. Den Kopf voller Phantasien über rasche, brillante Entdeckungen, hatte sie freudig zugesagt. Die Realität hatte sich als weniger abenteuerlich herausgestellt.
Wie so viele andere Bereiche auch, hatte die Computerrevolution die Astronomie für immer verändert. Vorbei waren die Tage, da sich ein einsamer Astronom warm anzog und die Nacht in der Beobachtungskuppel eines riesigen Teleskops verbrachte. Und ebenfalls vorbei war es mit den Wochen und Monaten des Vergrößerns der Fotoplatten und des mühsamen Zuordnens der Absorptionslinien des Sternenspektrums.
Ein moderner Astronom konnte an einem beliebigen Ort im Sonnensystem in seinem Sessel sitzen, ein Beobachtungsprogramm ausarbeiten und sein Vorhaben und seine Berechtigungsnummer an das Observatorium seiner Wahl übermitteln. Zu gegebener Zeit würde er Multispektralaufnahmen und numerische Daten erhalten, alles sauber mit Kommentaren versehen. In der Zeit, die zwischen Anfrage und Resultat lag, lief der Prozess praktisch ohne menschliche Einwirkung ab.
Im letzten Viertel des einundzwanzigsten Jahrhunderts war es der Computer des Observatoriums, der seine Teleskope ausrichtete und sie so steuerte, dass sie der Bewegung der Sterne über den Himmel folgten. Die Computer überwachten die Beobachtungszeiten, zeichneten die Daten auf und schrieben die Berichte. Manchmal stießen die Computer bei der Analyse der Daten auf Phänomene, die mit den zu beobachtenden Objekten nichts zu tun hatten. Wenn das geschah, meldeten sie sich beim menschlichen Personal.
Und so kam es, dass Amber Hastings das große Teleskop überwachte, als der Observatoriumscomputer um ihre Aufmerksamkeit bat.
»Was gibt es?«, fragte sie und unterdrückte ein Gähnen.
»Ich habe eine Meldung über die Entdeckung eines Asteroiden /Kometen«, sagte das Gerät mit seinem allzu vollkommenen Bariton. »Wollen Sie es jetzt gleich überprüfen?«
»Nichts dagegen«, erwiderte sie. »Ich habe sowieso noch vier Stunden Dienst.«
Wie die meisten jüngeren der am Farside Observatorium Beschäftigten war Amber als Intra-System-Spezialistin eingeteilt worden, was bedeutete, dass sie für die Bestätigung und Einordnung neugesichteter Kometen und Asteroiden zuständig war. Während ihrer drei Jahre am Observatorium hatte sie ein halbes Tausend Sichtungen überprüft. Die Erregung, die sie anfangs dabei empfunden hatte, war längst verschwunden.
Auf dem Bildschirm vor ihr erschien das Bild eines Himmelsausschnitts. Sie erkannte den offenen Sternenhaufen NGC 2301, der vor zwei Wochen Gegenstand eines langen Beobachtungsprogramms gewesen war. Rund um den Sternenhaufen herum befand sich ein Dickicht von Sternen. Amber ließ ihren Blick rasch über den Bildschirm schweifen. Zunächst fiel ihr nichts Ungewöhnliches auf. Dann wurden ihre Augen von der rechten unteren Bildschirmecke angezogen. Dort entdeckte sie einen schwachen
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