Sternenfaust - 052 - Welten-Verwüster
las sich die Einladung Kando Fanshurs noch einmal sorgfältig durch, bevor er sich auf die Begegnung mit dem Patriarchen vorbereitete. Die komplizierten Verhaltensregeln der Adelshäuser untereinander verlangten für nahezu jede Gelegenheit die Einhaltung eines bestimmten Protokolls. Von dem abzuweichen stellte entweder eine schwere Beleidigung dar oder eine Demonstration von Geringschätzung. In manchen Fällen beides zusammen.
Kando Fanshur hatte Merlik in seiner Einladung gebeten zu kommen und es als eine Ehre bezeichnet. Demnach war er sich nicht nur bewusst, dass Merliks Haus seinem eigenen gegenüber einen höheren Rang besaß, sondern erkannte diese Tatsache auch an. Das würde die Verhandlungen mit ihm in gewisser Weise vereinfachen.
Die Adelshäuser, besonders die noch jungen und relativ kleinen, waren immer bestrebt, ihr Image und ihren Einfluss zu verbessern, indem sie sich über Heirat mit höhergestellten Häusern verbanden. So gesehen würde Kando Fanshur ihm Kamiana mit Freuden zur Frau geben, da sein Haus durch diese Verbindung definitiv aufgewertet wurde.
Jetzt lag es an Merlik, diese Position nicht zu untergraben, indem er zum Beispiel durch übertrieben elegante Kleidung andeutete, dass er sich Kando unterlegen fühlte. Der höher Gestellte leistete sich die lässigere Kleidung. Die besten Sachen zog man nur an, wenn man Gleich- oder Höhergestellten gegenübertrat.
Merlik seufzte. Er hasste das Getue des Adels um ihren Stand, Besitz und Einfluss, das dazu führte, dass jeder fast jedes anderen Feind war und Intrigen zum Normalzustand wurden. Noch schlimmer waren die Auswirkungen, die dieses System auf die Wissenschaft, Wirtschaft und das Militär hatte. Hier wurden Posten oftmals nicht nach Leistung und Verdienst vergeben, sondern nach Zugehörigkeit zu einem Haus oder den Beziehungen, die der Betreffende hatte.
Nach Merliks Überzeugung behinderte das den Fortschritt und hatte aus den J’Ebeem eine unflexible Rasse gemacht, die in absehbarer Zeit dem Untergang geweiht war, wenn sie dieses verkrustete System nicht endlich abschaffte. Merlik verfluchte manchmal den Tag, an dem sein Vorfahr vor inzwischen acht Generationen Titel und Lehen erhalten hatte. Er selbst war Wissenschaftler mit Herz und Seele und ging in seiner Arbeit auf. Er hatte sich nie wie ein Mitglied der Oberschicht gefühlt. Daher rührte wohl auch das permanente Gefühl, verglichen mit Leuten wie Kando Fanshur nur ein kleines, unbedeutendes Licht zu sein, selbst wenn er aufgrund seiner eigenen Zugehörigkeit zu einem Hohen Haus einen höheren Stand hatte als sie.
In diesem Fall verlangte das Protokoll von ihm so zu tun, als gewährte er dem Haus Lovinar eine unbeschreibliche Gnade dadurch, dass er Kandos Einladung annahm. Allerdings durfte er es nicht übertreiben. Merlik seufzte erneut und wählte einen traditionellen Anzug für seinen Besuch. Dazu trug er eine pompöse Halskette mit dem Familienwappen, die ihn als Mitglied der Hauptlinie des Hauses Haskano auswies. Die war für solche Anlässe zwingend vorgeschrieben.
Nachdem er sich angekleidet hatte und im Spiegel ein annehmbares Bild abgab, verließ er sein Zimmer. Vor dem Hotel wartete ein Gleitfahrzeug der Fanshurs. Der Fahrer öffnete ihm die Tür und komplimentierte ihn mit einer Unterwürfigkeit hinein, die in Merlik ein profundes Gefühl von Abscheu hervorrief. Doch er ließ sich nichts anmerken.
Die Fahrt dauerte nur kurz. Vor dem Haus der Fanshurs wurde Merlik von einem jüngeren Verwandten Kandos erwartet, angemessen begrüßt und ins Innere geleitet, wo ihn der Patriarch persönlich im Empfangsraum erwartete.
» Rani’in Merlik Talas, ich bin erfreut und geehrt, dass ein Mitglied des Hohen Hauses Haskano mein bescheidenes Domizil mit seiner Anwesenheit beehrt«, begrüßte er ihn mit dem Titel, der gegenüber den männlichen Mitgliedern eines höher gestellten Adelshauses vorgeschrieben war.
Merlik neigte leicht den Kopf. »Ihre Einladung hat mich erfreut«, antwortete er förmlich und konnte gerade noch verhindern, dass ihm dieselbe Anrede herausrutschte und fügte stattdessen das angemessene » Tura’in Fanshur« hinzu.
»Ich hoffe, dass es mir gelingen wird, Ihren Aufenthalt in meinem Haus angenehm zu gestalten«, sagte Fanshur ebenso förmlich. »Ich habe mir erlaubt, einige Darbietungen zu Ihrer Erbauung zu arrangieren.«
»Darauf bin ich schon sehr gespannt.«
Kando Fanshur gestattete sich ein flüchtiges Lächeln. »Und natürlich sind Sie
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