Sternenfaust - 064 - Relikt Hohlwelt
Park im Zentrum der Hauptstadt, besaß allein eine Ausdehnung von dreieinhalb Reit-Perioden und die sich mitten im Park erhebende Palastanlage des Kazan nahm davon mehr als eine Periode ein. Ein labyrinthisch verwinkelter, gewaltiger Gebäudekomplex, den noch kein Herrscher der Hohlwelt jemals vollständig hatte in Augenschein nehmen können, obwohl sich hier das Lebens- und Regierungszentrum eines jeden Kazan befand.
Seit ungezählten Generationen wurde an dieser wuchernden Palastanlage gebaut, so wie die sie umgebende Stadt sich ständig veränderte und größer wurde. Hier war das Herz der Welt, was Kazan wörtlich übersetzt bedeutete, weshalb Palast und Herrscher mit dem gleichen Begriff bezeichnet wurden. Jeder Kazan hatte einen besonderen Ehrgeiz darin entwickelt, seinen Palast weiter auszubauen, neue Gebäudeteile anzufügen, baufällige Flügel abzureißen, um an ihrer Stelle höhere und prächtigere Bauten und Türme errichten zu lassen.
Einige Vorfahren des jetzt lebenden Herrschers hatten sich bewusst von ihren Ahnen abgesetzt und ausschließlich auf den Untergrund konzentriert und ebenso lange, wie tiefe Keller ausschachten und in den Fels hinein treiben lassen, so dass die gesamte Grundfläche des Schlosses und ein Teil des Parks mittlerweile durch zahllose Gänge, finstere Gewölbe und Grotten unterhöhlt worden war.
An einer der schönsten Stellen des Parks, nahe der Sturmvogel-Station, versammelte sich gerade ein exklusiver Kreis des kazanischen Hofstaats. Von hier war erst vor weniger als zwei Perioden der letzte einer ganzen Reihe von Sturmgleitern zum weit entfernten, mitten im Dschungel gelegenen Tempel der heiligen Affen abgeschickt worden. Die Botschaft, die er auf seinem langen Flug mit sich trug, war kurz und unmissverständlich. Sie enthielt den Befehl an den seit Kurzem eingesetzten Rriarchgon, sich umgehend auf den Weg nach Hradzscharalbah zu begeben, um vor ihrer allergnädigsten Majestät, dem von Rrre erwählten Kazan, Bericht zu erstatten über die höchst beunruhigenden Vorfälle, die sich – wie man vernahm – unlängst im Tempelgebiet ereignet hatten. Vor allem wünschte man Aufklärung über die Gerüchte, dass sich angebliche Boten des Himmelsauges seitdem dort aufhalten sollten.
Doch im Moment dachte niemand an diese Botschaft, weder ihr Verfasser, Prinz Brughil, noch ihr Schreiber, der oberste Schriftkammermeister Baron Chogren, noch der Siegelhüter und Geheimrat Graf Molatt und erst recht nicht der Kazan persönlich, der das allerhöchste Monogramm, mit dem die knappe Mitteilung unterzeichnet war, durch einen nur ihm vorbehaltenen Haken in der allein ihm zustehenden Purpurfarbe vervollständigt hatte.
Prinz Brughil, ein Onkel des amtierenden Kazan, war der ungekrönte König eines gleichermaßen gefürchteten, wie mächtigen Reiches. Das Territorium des Prinzen kannte weder Grenzen noch eine Hauptstadt. Und doch war sein Einflussbereich ungleich größer als der des Kazan. Er gebot über keine Soldaten und Armeen und dennoch folgten sie alle seinen Befehlen. Ein Wort von ihm entschied über Wohl und Wehe, Krieg oder Frieden und ein Wink mit der kleinen Kralle seiner linken Hand und Tausende waren von Wasser und Nahrung abgeschnitten oder mussten im Freien übernachten.
Er war mehr als nur der wichtigste Berater des Kazan, er kontrollierte und verwaltete den Staatshaushalt, war verantwortlich für Einnahmen und Ausgaben und dirigierte ein Heer von Beamten. Mit ihrer Hilfe regierte er bis in die entferntesten Winkel des gewaltigen, fast die ganze Planeten-Innenseite umspannenden Reiches. Neben der gewaltigen Schar an Beamten existierte aber noch ein ungleich wichtigeres Instrument, auf das sich seine Macht und sein Einfluss stützte. Es handelte sich um eine noch größere, völlig amorphe Gruppe. Oft waren es Anwärter auf einen Posten als Beamte oder Armee-Angehörige. Jeder von ihnen zeichnete sich durch besondere Fähigkeiten aus. Nicht selten handelte es sich aber auch um wendige Zivilisten aller möglichen Berufe und Stände. Sie alle hatten gemeinsam, dass sie über ausgezeichnete Ohren und Augen verfügten und intelligent genug waren, um nicht immer leicht zu durchschauende Zusammenhänge zu erkennen. Ihre Informationen flossen in ein komplexes System aus Nachrichtenkanälen und von dort an speziell ausgebildete Analyse-Abteilungen, in denen diese Flut gefiltert, ausgewertet und weitergeleitet wurde. Die Essenz dieses Informationsflusses drang regelmäßig an
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