Sternenfaust - 067 - Zwischen drei Sonnen
Kurz: Ich muss tun, was ich tue. Ich brauche dafür kein Verständnis. Ich weiß, dass wir erst dann damit rechnen können, wenn du, wenn ihr alle, jenes Wissen erlangt habt, über das wir im Moment noch exklusiv verfügen. Irgendwann werdet auch ihr die Situation jener Verzweifelten kennen, die so sehnsüchtig auf unsere Hilfe warten. Es ist unsere selbstverständliche Pflicht, ihnen beizustehen.
Uns ist bewusst, dass unser Unternehmen gefährlich ist, dass es vielleicht unser aller Leben kosten wird. Doch das ist nichts im Vergleich zu dem, was wir dabei in jedem Fall gewinnen werden! Gleichgültig, ob es uns gelingen wird, den gequälten Kreaturen zu helfen, die uns um Rettung angefleht haben oder nicht. Nur wenn wir wirklich alles unternehmen, bekommen wir, was auch uns zur Zeit so bitterlich fehlt: seelischen Frieden.
Bitte bedenke, wenn du meine Nachricht hörst, auch über den unüberwindbaren Abgrund hinweg, der uns in diesem Moment auf so schmerzliche Weise trennt, ich liebe dich …«
Ein leises Klicken deutete an, dass die Aufnahme zu Ende war. Betroffenes Schweigen machte sich breit. Fast eine halbe Minute lang schien niemand zu wagen, etwas zum Gehörten zu sagen.
Robert Mutawesi war der erste, der seine Sprache wiederfand.
»Unglaublich«, sagte er kopfschüttelnd. »Bruder William ist komplett durchgedreht …« Er sah sich um und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. »Er ist verrückt geworden. Ausgerastet!«
Auch Dana schüttelte jetzt den Kopf. Auf einer bestimmten Ebene teilte sie ja sogar die ernüchternde Einschätzung des Waffenoffiziers, aber gleichzeitig fand sie seine Äußerung alles andere als hilfreich.
*
Das Shuttle tauchte ab in das kochende Nebelfeld. Mit Ausnahme Kkiku’hs trugen sie alle extrem hitzebeständige Schutzanzüge, die mit Antigrav-Aggregaten ausgerüstet waren. Sie hatten sie von der FLAMMENZUNGE mitgenommen und sahen darin aus wie schwebende Eier mit Beinen und Stummelärmchen. Bei Bedarf konnten weitere Werkzeuge ausgefahren werden. Nur für den Mantiden hatten sie keinen passenden Schutzanzug gefunden, weshalb er seinen normalen Raumanzug trug, der jedoch auch über, wenn auch längst nicht so leistungsstarke Schutzeinrichtungen gegen extreme Kälte oder Hitze verfügte. Das wäre auch gar nicht nötig gewesen, denn die Mantiden konnten extreme Umweltbedingungen sehr viel besser verkraften als andere Spezies. Notfalls konnten die Insektoiden, die nicht einmal im herkömmlichen Sinne atmeten, sogar im Weltraum ohne Schutz überleben. Lediglich Selen mussten Kkiku’h und seine Artgenossen regelmäßig zu sich nehmen, um einsatzfähig zu bleiben.
»Eine Landung im herkömmlichen Sinn ist ausgeschlossen«, sagte jetzt Kaishuk, als das Shuttle die Wolkenschicht durchstieß. Abrupt stoppte er den Sinkflug. Sie schwebten nur wenige hundert Meter neben einer schroffen Steilwand, die sich seitlich von ihnen erhob. Tief unter ihnen gähnte ein Abgrund, aus dem ein irritierendes Leuchten zu ihnen hochschimmerte.
Kaishuk zog das Shuttle höher, so dass sie wieder in die Nebelmassen eintauchten. Die gewaltige, schwarze Felswand war nur noch als dunkler Schatten erkennbar. Dann riss die graue Hülle um sie herum wieder für den Bruchteil einer Sekunde auf und sie sahen, dass sie den Gipfel überwunden hatten. Dahinter auf der dem Abgrund gegenüberliegenden Seite senkte sich das Massiv weniger steil nach unten. Kaishuk steuerte in diese Richtung und schließlich durchstießen sie ein zweites Mal die Wolkenschicht.
»Eine Art weitläufiger, von Gebirgszügen umgebener Felskessel«, sagte Nuschtral.
»Aber zu instabil, um eine Landung zu wagen«, entgegnete Kaishuk. »Schauen Sie dort …« Mit seiner kurzen Klaue, die sich aus dem Ei des Schutzanzugs schob, wies der Starr in die angegebene Richtung.
»Es sieht auf seine Weise schön aus, zumindest faszinierend«, kommentierte die Shisheni den Anblick.
»Ein Ballett der Felsplatten«, sagte Bruder William. Ein gutes Dutzend, zwischen fünf bis zehn Meter hoher Felsformationen wankte und wiegte sich im Takt einer unhörbaren Musik. Gelegentlich stießen zwei der Felsbrocken gegeneinander, manchmal so heftig, dass sie dabei zersplitterten. Dennoch schien es, als steuere ein geheimer, exakt auf einander abgestimmter Rhythmus ihre Bewegungen. Dann sahen sie, dass sich auch andere Gesteinsplatten in ständiger Bewegung befanden. Erhellt wurde die Szenerie von einem leise vor sich hin brodelnden
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