Sternenfaust - 069 - In Ketten
Hälfte der kridanischen Bevölkerung repräsentierten, wunderte es Mel Roc nicht sonderlich, dass auch bei dieser, ihnen im Grunde zutiefst widerstrebenden Expedition, fast vierzig Prozent der Besatzung der SEDONGS RACHE erklärte Gegner des Predigers waren.
Normalerweise hatten sich diese Bevölkerungsgruppen insoweit miteinander arrangiert, dass beide Seiten den Status quo anerkannten und die Auffassungen der jeweils anderen tolerierten, auch wenn sie sie nicht teilten. Handfeste Streitigkeiten und Gewalt zwischen den Lagern waren zwar noch nicht völlig verschwunden, das würde wahrscheinlich nie der Fall sein, aber sie waren nicht mehr die Regel.
In Situationen wie dieser brach jedoch der alte Konflikt wieder offener zutage, das Resultat einer uneingestandenen Frustration, weil ausgerechnet der ehemalige Erzfeind etwas Wichtiges gefunden hatte und sie nicht.
Die Informationen, die sie von der Brücke der RACHE erhalten hatten, waren nur bruchstückhaft bis zu ihnen durchgedrungen, aber völlig ausreichend, um die alten Gräben zwischen den Anhängern des Predigers und seinen Gegnern auch in dem kridanischen Voraus-Kommando wieder aufreißen zu lassen.
»Gebt endlich Ruhe!«, schimpfte Mel Roc. Sie zanken sich wie Küken! Ihnen fehlt der Kampf. Sie wissen einfach nicht mehr, wo sich der wahre Feind befindet …
Es sollten seine letzten Worte und seine letzten Gedanken sein, denn im gleichen Moment durchschlug die Kugel das Visier seines Schutzanzugs, drang in seinen Schädel und ließ seinen Hinterkopf explodieren.
Wenigstens waren die Reflexe der restlichen Tanjaj noch so ausgeprägt, dass sie sich ohne zu zögern fallen ließen und Deckung suchten. Während Mel Roc einen schnellen, überraschenden Tod starb, pfiffen die übrigen Kugeln über die Köpfe der Tanjaj hinweg, rissen Splitter aus dem verkohlten Holz und pflügten durch Erde und Asche, bevor sie irgendwo stecken blieben.
»Es sind drei!«, rief Danchal Tur, der sich direkt hinter Mel Roc befunden hatte. Mit einem Blick hatte er die Situation erfasst. Ihr Vorgesetzter war tot und sie wurden von drei Seiten aus unter Feuer genommen. Glücklicherweise war das Gelände trotz der verheerenden Brände, die darüber hinweggetobt waren, immer noch so unübersichtlich, dass es ihnen ausreichend Deckung bot.
Andererseits wusste er aber auch, dass dieser heimtückische Angriff aus dem Hinterhalt nur der Auftakt gewesen sein konnte. Die Verwendung von konventionellen Schusswaffen sprach dafür, dass es sich bei ihren noch unsichtbaren Angreifern wahrscheinlich um Morax handeln musste. Die Geschosse besaßen zwar längst nicht die Durchschlagskraft der Gaussgewehre ihrer derzeitigen Verbündeten, der Menschen, aber waren – wie gerade auf erschreckende Weise demonstriert – trotzdem in der Lage das spezialgehärtete Material ihrer Visiere mit tödlicher Wirkung zu durchdringen.
Da ihre Helme eine Rundumsicht boten, die an ihre weit auseinanderstehenden Augen angepasst war, stand das Sicherheitsglas unter Spannung. Bei nur einer leicht angeschnittenen Flugbahn wäre die Kugel aller Wahrscheinlichkeit nach abgeprallt. Das bedeutete, das tödliche Geschoss musste Mel Roc frontal und aus ziemlicher Nähe getroffen haben. Er hatte verdammtes Pech gehabt.
Danchal Tur war nie ein Freund Mel Rocs gewesen, trotzdem erfüllte ihn sein Tod mit unbeschreiblicher Wut, der – das wusste er – fast ebenso große Trauer folgen würde. Falls er und seine Kameraden überhaupt überleben und noch Zeit zum Trauern finden würden. Sie waren, wie es schien, zwar in der Überzahl, vorausgesetzt es handelte sich tatsächlich »nur« um drei Gegner. Aber er wusste aus zahllosen Kampfberichten und eigener Erfahrung, dass Morax zu den gefürchtetsten Nahkämpfern der Galaxis gehörten. Sie waren gnadenlos, durchtrieben, von einer skrupellosen Schlauheit und trotz ihrer unförmigen Statur sehr wendig und schnell. Vor allem aber galten sie als ungeheuer stark. Selbst einer von ihnen allein hätte es mit ihrer Truppe aufgenommen und das Ergebnis des Kampfes wäre zumindest offen gewesen. Dazu kam, dass sie neben ihren Schusswaffen, die nicht gerade dem neuesten Stand der Technik entsprachen, über eine weitere höchst gefährliche Waffe verfügten: Monoschneiden, die selbst ungleich härteres Material als das ihrer Schutzanzüge durchdringen konnten.
In diesem Augenblick sah Danchal Tur ein verschwommenes Glühen auf sich zurasen. Der Tanjaj nahm die wuchtig-schnelle Bewegung
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