Sternenfaust - 069 - In Ketten
übergab.
Sei nicht so verdammt eitel! , schimpfte sie mit sich. So wird es mit Sicherheit nicht ablaufen. So wäre es auch nicht abgelaufen, wenn du tatsächlich auf eine Bibliothek gestoßen wärst, die diesen Namen auch verdient …
Dann gab es eine weitere Korrektur. Vor ihrem inneren Auge tauchten Bilder archäologischer Grabungen auf. So gut wie nie waren die geborgenen Gegenstände in perfekter Erhaltung, sondern angegriffen vom Zahn der Zeit. Mühselig mussten die Fundstücke wie Puzzlesteine zusammengesetzt werden. Oft gab es Lücken, die nur durch Kombination und logisches Denken geschlossen werden konnten und fast nie stieß man auf intakte, wohlgeordnete Sammlungen.
Also reiß dich zusammen. Sieh es positiv! Aus dieser Fülle von Material werden sich sicherlich interessante Erkenntnisse gewinnen lassen!
»Captain!«, ertönte plötzlich die Stimme Takashis aus ihrem Kopfhörer. »Benötigen Sie noch lange?«
»Äh – wieso, Sergeant? Was gibt s?«
»Die Ortung im Shuttle hat ein Sturmtief in ungefähr hundert Kilometern Entfernung ausgemacht.«
»Und?«, fragte Dana ungeduldig.
»Es befindet sich derzeit noch draußen auf See, aber es bewegt sich in Richtung Küste.«
»In unsere Richtung?«
»Ja, Captain. Direkt in unsere Richtung. Ich möchte Sie nicht von den Klippen kratzen müssen.«
»Wie lange noch, Sergeant?« Die Nachricht über das herannahende Unwetter vermochte Dana nicht sehr zu erschrecken. Eine Wassersäule von fünfzig Metern über ihnen würde so gut wie alle Energie, die sich dort oben entlud, abmildern. Seltsamerweise verschwendete sie in diesem Moment keinen Gedanken an sich oder Ragnarök und William. Ihre Überlegungen galten einzig ihrem Fund.
»Zwanzig Minuten, vielleicht eine halbe Stunde«, sagte Takashi.
Dana pfiff leise durch die Zähne. Das musste nicht nur ein Unwetter, das musste ein Orkan sein, der sich da mit rasender Geschwindigkeit näherte. Auf einmal erschien ihr die Wassersäule über ihrem Kopf doch nicht mehr so sicher.
Wie viel Luft haben wir noch? Doch laut fragte sie: »Haben wir so etwas wie ein großes Netz, mit dem wir die Bücher sichern können?«
»Vergessen Sie’s, Ma’am«, antworteten Ragnarök und Takashi wort- und zeitgleich.
Manchmal tätest du besser daran, deinen Mund zu halten! , ächzte sie in Gedanken. Sie wusste genau, dass sie über kein entsprechend großes Netz verfügten. Und selbst wenn, würde die Zeit nicht mehr reichen, es hierhin zu bringen, auszubreiten und sicher zu befestigen.
»Der Sturm mag ziemlich kräftig sein, Captain«, sagte William mit seiner ruhigen Stimme, »aber er wird hier unten nicht viel anrichten …«
»Wie auch immer«, sagte Dana mit einem ungnädigen Unterton, »jeder von uns schnappt sich ein, zwei dieser Bücher und dann verschwinden wir von hier!«
»Aye, Ma’am«, sagte Ragnarök, der von ihnen am tiefsten schwamm. Er brauchte nur die Hand auszustrecken, während Dana und William noch ein paar Meter tiefer gehen mussten.
»Ah! Verdammt!« Dana und William blickten erstaunt zu Telford. Zwischen seinen Händen schwebte eine dunkle Substanz. Es sah aus, als habe ein Oktopus eine Tintenwolke ausgestoßen. Doch nach allem, was sie bisher gesehen hatten, lebte auch am Grund des Meeres nichts mehr.
»Die verdammten Bücher!«, fluchte Ragnarök weiter. »Sie lösen sich bei der leisesten Berührung auf!«
Mit schreckgeweiteten Augen sah Dana, dass sich ein weiteres Wurzelbuch, kaum dass Telford danach griff, in einer Wolke aus feinstem Staub auflöste.
»Vorsichtig!«, schrie sie. Doch dann begriff sie, dass nichts und niemand so vorsichtig sein konnte, um eine Zerstörung der Bücher selbst bei leisester Berührung zu verhindern.
»Sie müssen jetzt nach oben kommen!«, erklang die dröhnende Stimme Takashis. Gleichzeitig zerstäubte unter ihren eigenen Fingerspitzen eines der Wurzelbücher, als sie noch nicht einmal die Berührung spürte. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass es Bruder William nicht anders erging.
Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie gehofft, dass dieses Missgeschick nur Ragnarök widerfahren war, da er in seinem Marine-Kampf- und Panzeranzug nicht die Möglichkeit besaß, die Druckempfindlichkeit des Materials seiner Handschuhe zu verändern. Eine Option, über die ihr Schutzanzug ebenso verfügte wie der von Bruder William. Sie hatte die Sensorik des Materials so fein justiert, dass es keinen Unterschied machte, ob sie etwas mit der bloßen Hand oder mit dem
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