Sternenfaust - 095 - Mutawesis Hölle
folgen.
Das Glücksgefühl, diese außerordentliche, mit nichts anderem zu vergleichende freudige Erwartung, die Jason Montesculon so sehr erfüllt hatte, als er endlich den Orbitalflug hinter sich gehabt und das große Schiff betreten hatte, war so gut wie völlig verschwunden. Nichts war von der Euphorie geblieben, die ihn zeitweilig die Frage hatte stellen lassen, was eigentlich so interessant an der Erforschung komplexer biochemischer Prozesse war, denen er bis dahin sein Leben gewidmet hatte.
Jetzt erfüllte ihn nichts als Angst.
Nackte, pure Todesangst.
Aber da war noch eine Komponente, die über gewöhnliche Todesangst hinausging.
Es gab nicht viele Momente im Leben des Jason Montesculon, die sich unter diesen Begriff zusammenfassen ließen. Was den Menschen Jason Montesculon anbetraf, der einst seinen Wirtskörper beherrscht hatte, konnte man nicht mehr sagen, wie viel Angst er je gehabt hatte oder wovor, denn dessen Bewusstsein existierte nicht mehr – und dementsprechend auch nicht mehr die persönlichen Erinnerungen.
Für den Dronte namens Montesculon traf das aber ohne Zweifel zu.
Während des Krieges gegen die Menschen hatte er in den Streitkräften des Herrn gedient und war unter anderem damit beschäftigt gewesen, vielleicht doch noch in letzter Minute ein Gegenmittel gegen das grausame Anti-Dronte-Virus zu finden, mit dem die Menschheit und ihre Verbündeten die Ausbeutung der Neuen Ordnung schlussendlich gestoppt hatten. Im Rahmen dieses Dienstes hatte einmal für kurze Zeit der Verdacht bestanden, dass Montesculon sich mit dem Virus infiziert hatte. Doch der Verdacht hatte sich als unbegründet herausgestellt.
Ein medizinisches Messinstrument – ironischerweise von ihm selbst zur schnelleren Entdeckung bestimmter biochemischer Prozesse entwickelt – hatte blinden Alarm geschlagen, weil die Parameter mit zu geringer Toleranz eingegeben gewesen waren. Aber die Zeit bis zur Aufklärung dieses Irrtums hatte vollkommen ausgereicht, um zu erfahren, was Todesangst war. Und diese Erfahrung war gründlich und tiefgehend genug, um ihn den Unterschied zur jetzigen Situation erkennen zu lassen.
Meine Sorge gilt in Wahrheit nicht mir! , erkannte er, während er nach einem weiteren, sehr heftigen Huck und dem Zusammenprall mit einem leblos wirkenden und aus den Ohren blutenden Dronte-Starr, weiter der Raummitte entgegenschwebte. Meine Furcht gilt allein der Tatsache, dass ich dann wohl nicht mehr in der Lage sein werde, dem Ruf zu folgen …
Er hatte nur wenige Augenblicke Zeit, sich dem Entsetzen über diese Erkenntnis zu widmen, denn dann platzte ein Teil aus einer der Wände der Frachträume. Ein pfeifendes Geräusch entstand. Es hatte Ähnlichkeit mit den Geräuschen, die bei den gefürchteten Stürmen auf der Südhalbkugel von Karalon III zu hören waren.
Ein Luftzug erfasste nicht nur Jason Montesculon, sondern mit ihm Dutzende anderer Dronte.
Ein Schwall von gallertartiger Körperinnenmasse eines aufgeplatzten Seglaners kam ihm entgegen. Die leere Außenmembran klatschte ihm wenig später an den Kopf. Er stieß schmerzhaft mit den Zähnen eines Pardaners zusammen, der mit geöffnetem Maul auf ihn zuschwebte.
Der Pardaner war bereits nicht mehr am Leben.
Gegen die Sogwirkung, der sie alle ausgesetzt waren ließ sich nicht das Geringste ausrichten. Die Atemluft entwich in den Weltraum und der Druckabfall innerhalb des Frachtraums war enorm.
Jason Montesculon hatte das Gefühl, als würde ihm das Innerste nach außen gewendet und als würde jemand versuchen ihm die Lunge und das Dronte-Implantat aus dem Leib zu reißen.
Immer schneller flog er nach oben, wobei dieser Begriff inzwischen jeglichen Sinn verloren hatte und nur im Hinblick auf die zuvor vorherrschende und daher gewohnte Ausrichtung der Schwerkraft noch eine gewisse Berechtigung hatte. Auch der Verstand eines Dronte kam nicht unbedingt mit, wenn sich die Verhältnisse auf den Kopf stellten.
Jason Montesculon prallte gegen die Decke des Frachtraums. Dutzenden, ja Hunderten weiterer Dronte ging es ähnlich.
Für die amöbenähnlichen Seglaner, denen dies widerfuhr, war der Schrecken damit vorbei, denn wenn deren Außenmembran nicht schon zuvor durch den Druckabfall zerplatzt war, dann geschah dies spätestens beim Aufprall.
Die Pardaner hatten einen widerstandsfähigeren Körper. Sie stießen vor Schmerz quiekende Laute aus, die sich mit einem furchtbaren Röcheln mischten, denn ebenso wie Montesculon bekamen sie jetzt kaum noch
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