Sternenfaust - 110 - Die Fünfte Kolonne
tötete. Damit wäre er um keinen Deut besser als ein Dagis Rendoy, der Mord selbst an Kindern für ein legitimes Mittel seiner Politik gehalten hatte. Rendoy und seine Mittriumvirn hatten am Ende mit ihrem Leben dafür bezahlt.
Kenas hatte so eine Ahnung, als würde ihm dieses Schicksal in absehbarer Zeit auch bevorstehen, falls er diesen Schritt tat. Aber er hatte sich bereits von seinem Volk losgesagt, als er sich entschieden hatte, ein Doppelagent für die GalAb zu werden, und es gab für ihn kein Zurück mehr.
Doch zuvor musste er noch die Daten sichern. Und vielleicht fiel ihm bis dahin ja noch eine andere Möglichkeit ein.
*
Schließlich kam ihm der Zufall schneller zu Hilfe, als Kenas es erwartet hatte. Als er am dritten Tag seines Aufenthalts sein erstes Protokoll beim Stationsleiter ablieferte, kam er gerade dazu, als der seinen persönlichen Autorisierungscode in eine Datenbank eingab, um sie freizuschalten. Zufällig befand Kenas sich beim Eintreten in einer Position, von wo aus er die Eingabe genau erkennen konnte, und sein geschulter Verstand memorierte den Code augenblicklich. Damit besaß er nun die Möglichkeit, jede Datenbank zu öffnen und die Informationen abzurufen. Jetzt musste er es nur noch bewerkstelligen, dass er von irgendeinem Terminal aus die gesuchten Daten abrufen und speichern konnte – unbemerkt !
Doch Paitar Kenas wäre ein schlechter Agent gewesen, hätte ihm das größere Schwierigkeiten bereitet. Schließlich war Überwachung der einen oder anderen Art sein Fachgebiet, und er fand, dass das hiesige Wachpersonal darüber noch eine Menge zu lernen hatte. Zumindest hätten sie entschieden wachsamer sein müssen, aber sie vertrauten darauf, dass der wahre Zweck der Station geheim war und blieb – und auch darauf, dass kein J’ebeem, der hier arbeitete und von der Temuran-Zentrale aufs Schärfste überprüft worden war, ehe man ihn herschickte, ihre Geheimnisse ausspionieren würde.
So fiel es Kenas nicht schwer, die Überwachungseinheiten so zu manipulieren, dass sie in der ruhigsten Zeit des Tages – drei Stunden nach Mitternacht Ortszeit – für eine halbe Stunde in allen Gängen der Station ein konstantes »leeres« Bild zeigten und unverdächtige Daten lieferten. Schwierig könnte es nur werden, falls er jemandem begegnete. Doch dieses Risiko musste er eingehen, denn eine andere Möglichkeit, an die Daten heranzukommen, ohne dass man deren Abruf mit ihm in Verbindung brachte, sah er nicht.
Es war ihm gelungen, Lakis Boriaks Schlüsselcode für die Türöffnungsmechanik zu kopieren, die ihm Zugang zu restriktiven Bereichen gewährten. Zwar sah sein Plan nicht vor, in diese Bereiche einzudringen, doch sollte er dazu gezwungen sein, so würden die automatischen Aufzeichnungen der betreffenden Türen Boriak als den Mann registrieren, der dort gewesen war. Und damit der ihm nicht anderweitig in die Quere kam oder für den Fall der Fälle Zeugen vorweisen konnte, die ihn zur selben Zeit anderswo gesehen hatten, setzte Kenas ihn am betreffenden Abend mit einer Droge in seinem Tee für die Nacht außer Gefecht. Die Droge würde sich am nächsten Morgen schon nicht mehr nachweisen lassen und Boriak auch nicht das Gefühl haben, betäubt worden zu sein. Er verspürte nur eine intensive Müdigkeit und würde sich bei seinem Erwachen erfrischt und ausgeruht fühlen. Und der Weg war für Kenas frei.
Er schickte eine nur daumengroße Kameradrohne zwanzig Meter vor sich her, deren Empfangsgerät er in der Hand hielt und auf dessen winzigen Bildschirm beobachten konnte, ob die Gänge vor ihm tatsächlich leer waren. Doch er hatte Glück und gelangte ungehindert und unbemerkt in einen Teil der Station, in dem die Unterrichtsräume der J’eberde lagen und die um diese Zeit alle leer waren. Jeder dieser Räume verfügte über mindestens ein Terminal, von dem aus man auf die Zentraldatenbank der Station zugreifen konnte.
Kenas handelte schnell. Er aktivierte das Terminal, gab den Zugangscode des Leiters ein und rief die Daten über die J’eberde auf, die er brauchte. Darunter waren nicht nur solche, die ihm – und damit der GalAb – die Identitäten der in den Solaren Welten eingesetzten Agenten verrieten, sondern auch die der Lieferanten, von denen der Temuran das »Rohmaterial« in Form von befruchteten Eizellen und Embryos bekommen hatte. Auch kopierte er zusätzlich auf einen Datenträger die Aufzeichnungen der Genetics über ihre Forschungen und die Modifikationen, die
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