Sternenfaust - 110 - Die Fünfte Kolonne
sie vorgenommen hatten, um die J’eberde zu erschaffen. Falls sie tatsächlich eine Art Loyalitätsgen gefunden und manipuliert hatten, so musste die GalAb das wissen, um bei etwaigen Nachkommen der J’eberde in absehbarer Zeit diese Disposition umkehren oder eliminieren zu können. Außerdem speicherte er noch alles über das Projekt, was in irgendeiner Form von Nutzen sein könnte.
Er war gerade damit fertig und hatte den Terminal wieder ausgeschaltet, als die Kameradrohne vor der Tür anzeigte, dass jemand den Gang entlang kam. Auf dem übertragenen Bild war ein junger J’eberde zu sehen, und Kenas fragte sich, was er zu dieser Zeit in diesem Bereich zu suchen hatte. Er sah sich schnell um und erfasste augenblicklich drei mögliche Verstecke, in denen er sich verbergen konnte, falls der junge Mann diesen Raum betreten sollte.
Doch er hatte erneut Glück, denn der ging in den nebenliegenden Raum. Wahrscheinlich konnte er nicht schlafen und wollte die Zeit für ein paar nächtliche Studien nutzen. Ein Blick auf seine Uhr zeigte Kenas, dass seine Manipulation der Überwachungskameras nur noch sieben Minuten andauern würde. Er musste sich beeilen.
Leise verließ er den Raum – beinahe im selben Moment, als der J’eberde den Nebenraum ebenfalls wieder verließ, sodass sie fast zusammenstießen. Während Kenas mit der in langen Dienstjahren geschulten Reaktion auf solche Situationen ein absolut ausdrucksloses Gesicht wahrte, wurde der J’eberde schlagartig blass und zeigte alle Anzeichen von Schuldbewusstsein.
»Darf ich fragen, was Sie mitten in der Nacht hier zu suchen haben?«, verlangte Kenas streng zu wissen. Er bemerkte, dass der junge Mann etwas in der Hand hielt, das er zu verbergen versuchte und streckte gebieterisch die Hand danach aus. »Zeigen Sie mir das.«
Widerstrebend händigte der J’eberde ihm ein Datenpad aus. Kenas schaltete es ein und studierte seinen Inhalt. »Sie wollen Ihre Kameraden betrügen und sich mit diesen Daten einen Vorteil verschaffen«, erkannte er vollkommen richtig, und der J’eberde wurde rot, ein Zeichen von Verlegenheit und Scham bei den J’erde, wie Kenas wusste. »Was haben Sie sich dabei gedacht?«
»Ich …«, begann der J’eberde, »ich habe mir gedacht, dass in meiner Eigenschaft als künftiger Agent von mir erwartet wird, dass ich mir Informationen und Vorteile über meine Gegner verschaffe, wo und soviel ich nur kann«, erklärte er in einem Ton, als müsse er nicht nur Kenas, sondern auch sich selbst von seinen Worten überzeugen. »Deshalb …«
»Sie haben sich gedacht, dass Sie besser dastehen als Ihre Kameraden, wenn Sie betrügen«, unterbrach Kenas ihn. »Sehen Sie Ihre Kameraden als Gegner an?«
»Nein, Tan’ninn «, antwortete er und benutzte die respektvolle Anrede für einen Lehrer. »Ich … bedaure mein Verhalten.«
»Ja, das tun Sie wohl – aber nur, weil Sie sich haben erwischen lassen. Merken Sie sich eins: Solche Eskapaden heben Sie sich ausschließlich für Ihre künftigen Einsätze auf, es sei denn, Sie erhalten einen entsprechenden Befehl Ihrer Ausbilder oder Vorgesetzten. Wie ist Ihr Name?«
»John Semjonov«, antwortete der junge Mann und wurde noch eine Spur blasser. »Werden Sie mich melden, Tan’ninn ?«
»Das sollte ich tun«, knurrte Kenas ungehalten. »Aber das wird nicht nötig sein.« Er deutete zur Decke, wo die winzigen Augen der Überwachungskameras zu sehen waren. »Da ich nicht annehme, dass Sie so schlau waren, die vorher auszuschalten, sind Sie auf den Überwachungsmonitoren blendend zu sehen. Das waren Sie von dem Moment an, da Sie Ihr Zimmer verließen, was um diese Zeit ungewöhnlich ist, und deshalb bin ich hier.« Dass der Junge tatsächlich nicht daran gedacht hatte, die Kameras auszuschalten, bewies sein jetzt überaus verlegener Gesichtsausdruck. Er konnte ja nicht wissen, dass Kenas sie »blind« gemacht hatte. »Ob Ihre Ausbilder Ihr Fehlverhalten mit einer Disziplinarmaßnahme ahnden werden, liegt nicht in meinem Ermessen. Für mich ist die Angelegenheit hiermit erledigt. Aber merken Sie sich für die Zukunft das wichtigste Gesetz aller Agenten: Lasse dich niemals erwischen! Und nun verschwinden Sie.«
Der junge J’eberde wandte sich wortlos ab und ging. Kenas wartete äußerlich ruhig, bis er um die nächste Gangbiegung verschwunden war, ehe er sich gehetzt herumwarf und in die entgegengesetzte Richtung zu laufen begann. Von seinen sieben Minuten Zeit, die er noch gehabt hatte, um unbemerkt in sein
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