Sternenfaust - 110 - Die Fünfte Kolonne
diesem Grund verzichtete der Temuran schon lange auf jeden weiteren Versuch.
Dafür schien der Geheimdienst bei den Menschen auf eine neue Variante der Spionage gekommen zu sein. Paitar Kenas war zwar nur ein kleiner Beamter beim Temuran und arbeitete in untergeordneter Position. Er verbrachte seine Zeit meist damit, Meldungen über Unzufriedene zu überprüfen. Unzufriedene, die ihre Beschwerden in der Öffentlichkeit äußerten und möglicherweise die seit dem Umsturz immer noch fragile Stabilität des Reiches gefährdeten. Das war eine Aufgabe, die kaum Aufstiegschancen bot und deshalb von niemandem begehrt war. Kenas gab sie aber die Möglichkeit, seiner zweiten Profession dadurch überaus dienlich sein zu können: der als Doppelspion für die Solaren Welten, denn auch ein Temuran-Agent niederen Ranges hatte Zugang zu Informationen, an die selbst die Mitglieder des Oberen und Unteren Triumvirats nicht so ohne Weiteres herankommen konnten.
Paitar Kenas war einmal ein überaus loyaler J’ebeem gewesen, der seinem Volk diente und überzeugt war, dass das auch das. Triumvirat tat. Doch eines Tages hatte er herausgefunden, dass das absolut nicht der Fall war und sein eigener Dienst am Volk sich nicht immer – um nicht zu sagen sogar eher selten – damit vereinbaren ließ, der offiziellen, von den Triumviraten vorgegebenen Linie zu folgen. J’ebeem zu ruinieren oder gar hinzurichten, nur weil sie den Triumviraten oder auch nur einem einzigen Triumvir unbequem waren, ganze Adelshäuser auszulöschen und sogar deren minderjährige Kinder töten zu lassen, war pure Willkür und Tyrannei und diente dem Volk in keiner Weise.
Den letzten Ausschlag für Kenas’ Entscheidung, für den »Feind« zu arbeiten, hatte aber ein persönlicher Verlust gegeben. Sein Cousin und bester Freund Bergon Sin, ein Offizier in der Raumflotte, hatte sich in eine Nichte von Dagis Rendoy verliebt, dem mächtigsten Mann des früheren Triumvirats. Daraufhin hatte Rendoy ihn auf eine Todesmission geschickt, bei der er wie geplant umgekommen war – nur weil Bergon, ein Mann aus dem Volk, sich in eine Frau aus dem Hochadel verliebt hatte. Seine »Beziehung« zu Rendoys Nichte war nicht einmal weiter gegangen als bis zu ein paar Treffen in absolut schicklichem Rahmen und dem Austausch einiger weniger Umarmungen.
Als Kenas nicht lange nach Bergons Tod zufällig einen Spion der J’erde ertappt hatte, verhalf er ihm nicht nur zur Flucht und der sicheren Rückkehr zu den Solaren Welten, sondern ließ deren Galaktischer Abwehr durch ihn mitteilen, dass er bereit war, den Platz des enttarnten Spions auf Ebeem einzunehmen. Natürlich war die GalAb zunächst misstrauisch gewesen, doch nachdem Kenas jeden Zweifel ausräumen konnte, dass er wirklich auf ihrer Seite stand, hatten sie sein Angebot angenommen. Seitdem arbeitete er in erster Linie für die GalAb.
Und jetzt hatte ihm deren Chef mitgeteilt, dass der Temuran offensichtlich eine Horde von Spionen besaß, die speziell in den Solaren Welten eingesetzt wurden und genetisch Menschen, ideologisch aber J’ebeem waren. Einer dieser Spione war durch einen Zufall entlarvt worden, und die GalAb wollte nun natürlich unbedingt wissen, was es mit diesen Leuten auf sich hatte. War der Mann ein Einzeltäter oder tatsächlich einer von Vielen, wie er behauptet hatte, bevor er Selbstmord beging?
Kenas hatte von einem solchen Fall oder gar einem ganzen Programm des Temuran noch nie gehört, sich aber vorsichtig umzuhören begonnen. Er war dabei auf Gerüchte gestoßen, dass tatsächlich vor Jahrzehnten einmal der Plan bestanden hatte, das Risiko der Entlarvung von Temuran-Agenten in den Solaren Welten dadurch zu minimieren, dass man Agenten solcher Art einsetzte. In der Notiz über diese Idee hieß es, dass die Erschaffung solcher »J’eberde« wohl nur mit intensiven Genmanipulationen möglich wäre. Damit endete die Notiz, und es gab zumindest in den jedem Agenten frei zugänglichen Datenbanken keinen Hinweis darauf, dass diese Idee jemals in die Tat umgesetzt worden war. Doch die Entlarvung eines Mannes, der behauptete, »als J’ebeem geboren« worden zu sein, obwohl er eindeutig J’erde war, sprach dafür, dass dieses Projekt irgendwann im Geheimen und offenbar erfolgreich durchgeführt worden war.
Paitar Kenas sah auf, als sich die Tür zu seinem Büro öffnete und kein Geringerer als Tenar Jarekto eintrat, der Chef des Temuran. »Agent Kenas, woran arbeiten Sie gerade?«, fragte er ohne jede
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