Sternenfaust - 181 - Flucht von der Erde
scheitert?«
Esaus Vater nickte. »Dann ist ohnehin alles verloren.«
*
30. April 2258
Erde, New York
15.51 Uhr
»Schwerster Fall von Cyber-Vandalismus«, sagte Richter Farlow und klickte sich durch die Files, deren Schadensauflistungen kein Ende nehmen wollten. »Veröffentlichung der Quellcodes neuer Virto-Games, gezielte Angriffe auf die Virto-Server-Anlagen, Diebstahl von Nutzerdaten der Virto-Gamer, die Errichtung eines illegalen interstellaren Botnets, Cyber-Angriffe auf über einhundert Derivats-HFT-Server { * } , und stets war das Opfer die Sol-Vision Wizard Corporation .«
»Das sind miese Abzocker«, antwortete ein sommersprossiger Junge mit bunten Haaren. Er trug ein silbernes, weit ausgeschnittenes Trägershirt und darüber eine blau glitzernde Hemdjacke mit riesigen Taschen, in die er seine Hände gesteckt hatte. Um seinen rosigen Hals baumelte eine grobmaschige Kette mit einem Anhänger, der ein Mantiden-Symbol zeigte.
Richter Farlow hob die Augenbrauen und musterte den Jungen streng. Er konnte sehen, wie ihm die Großmutter des frechen Bengels, die ihn zur Anhörung begleitet hatte, die Hand auf den Unterarm legte und mit finsterer Miene etwas ins Ohr flüsterte.
»Meine Großmutter sagt, ich solle besser den Mund halten«, sagte der Junge dennoch vorlaut.
»Deine Großmutter ist eine kluge Frau«, sagte Richter Farlow grimmig. »Und die Nano-Blusen, welche die Assistentinnen bei der Repräsentation trugen und die sich aufgrund von Malware plötzlich in Luft auflösten …«
»Wären Sie dabei gewesen, Sie würden sich nicht beschweren«, grinste der sechzehnjährige Junge, der Peter Bench hieß.
» Sol-Vision Wizard Corporation beziffert den Schaden auf 14,3 Milliarden Credits.«
»Lächerlich«, erwiderte der Junge. »Deren Geschäfte gingen eh den Bach runter. Das neueste Virto-Game wäre so oder so gefloppt. Seit Jahren versuchen die, mit überzogenen Abmahnforderungen und unverschämten MMV { * } -Abo-Preisen die Virto-User abzuzocken.«
»Wie schön, dass du ihnen ein so lukratives Opfer lieferst«, sagte Richter Farlow streng. Er hatte sich immer selbst Kinder gewünscht, doch wenn er sich Fälle wie diesen ansah, löste sich dieses Verlangen schnell in Luft auf.
Es war schwer nachzuvollziehen. Dieser Peter Bench war hochintelligent, und er stammte aus gutem Hause. Wogegen rebellierte er nur?
Andererseits war es wahrscheinlich kein gutes Zeichen, dass er mit seiner Großmutter gekommen war. Peters Eltern, so hieß es, waren beruflich zu sehr eingespannt. Sie arbeiteten für das Independent Diplomatie Corps und befanden sich zurzeit wahrscheinlich noch nicht einmal im Solsystem. Und das, obwohl ihr eigener Sohn wegen eines Vergehens von kapitalem Ausmaß vor Gericht stand.
»Was heißt da lukratives Opfer?«, widersprach der Junge und grinste. »Ich habe keinen Cent!«
»Aber deine Eltern«, sagte Richter Farlow bestimmt. »Und wohl erst recht deine Großmutter.«
»Zufälligerweise habe auch ich keine 14,3 Milliarden Credits«, sagte Mrs. Wynford.
»Da hört man aber etwas anderes«, widersprach ihr Richter Farlow. »Es heißt, Sie seien eine der reichsten Frauen der Solaren Welten.«
»Es heißt so vieles«, antwortete die Dame mit den lila Haaren, die ihn mit den gleichen funkelnden Augen ansah wie ihr Enkel. Sie war Autorin der erfolgreichen e-Book-Reihe »Space Soap« – allgemein wurde ihr Vermögen auf mehrere Milliarden Credits geschätzt. »Aber deswegen sind wir nicht hier. Um die zivilrechtlichen Ansprüche werden sich ganz sicher die Anwälte meiner Tochter kümmern.«
Richter Farlow nickte. »In der Tat, dies ist eine Vorbesprechung für die Strafverhandlung. Und für das weitere Vorgehen und die in Betracht kommenden Erziehungsmaßnahmen.«
»Ich bitte Sie«, sagte Mrs. Wynford. »Strafverhandlung und Maßnahmen. Die Fantasie-Schadensziffern, die sich diese Firma da zusammenreimt, angeblich aufgrund von entgangenen Gewinnen, die sie im Leben nicht erzielt hätte, mögen hoch klingen, aber man darf auch nicht vergessen, dass niemand verletzt worden ist. Es geht hier um virtuelle Daten. Es war ein dummer Jungenstreich.«
»Cyber-Vandalismus ist kein Kavaliersdelikt«, widersprach Richter Farlow, obwohl er insgeheim der Großmutter des Jungen recht gab. Ihn sorgte auch gar nicht, was der Junge getan hatte, sondern was er in Zukunft noch anrichten würde, wenn man ihn nicht rechtzeitig in die Schranken wies. Dieser Peter Bench schien zu glauben, er
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