Sternenfaust - 184 - Opfergang
lassen?«, wollte Yngvar wissen und grinste. »Du findest das wohl auch noch komisch«, sagte Dana. »Habt ihr jegliches Gespür für menschliches Leid verloren? Das alles hätte nicht sein müssen.«
»Du musstest selbst erfahren, dass das Ende der Galaxis ein unabänderlicher, zeitlicher Fixpunkt ist.«
»Deshalb wurde ich genetisch aufgewertet«, gab sie bitter zurück. »Damit ich nicht vergesse. Ihr habt mich belogen. Ich habt mich belogen, was meine genetische Veränderung anging. Und was die wahren Motive der GRAFSCHAFT betrifft.«
»Du hast recht.« Yngvar nickte. »Doch in einem irrst du dich, Dana.«
Daniel hatte sich dieses Mal aufs Schweigen verlegt, was für den vorlauten Genetic-Jungen mehr als untypisch war.
»Worin irre ich mich?«, wollte Dana wissen.
»Dass diese zweite Zeitlinie nicht hätte sein müssen. In Wahrheit hast du erst jetzt alle Werkzeuge in der Hand, die du benötigst, um den nächsten Schritt deiner Reise anzutreten.«
»Warum sollte ich dir glauben? Warum sollte ich euch überhaupt noch ein Wort glauben? Habt ihr mir überhaupt in irgendeinem Punkt die Wahrheit gesagt?«
»Das Ende der Milchstraße wurde durch die KOSMISCHE DYARCHIE beschlossen«, sagte Daniel. »Das ist leider wahr!«
»Und was ist mit dieser GRAFSCHAFT?«
»Auch die GRAFSCHAFT ist nur ein Werkzeug. Wie letztlich wir alle. Dieses Werkzeug kann dir helfen, die Galaxis zu retten.«
»Wenn sie das kann, warum tut sie es nicht einfach? Warum benötigt sie mich?«
»Weil auch die GRAFSCHAFT die kosmischen Regeln nicht außer Kraft setzen kann.«
Dana lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen. Nachdem sie tief durchgeatmet hatte, beugte sie sich vor und sagte: »Dann sagt mir, was als nächstes passiert.«
»Es wird Zeit, dass du unsere Neugier befriedigst«, erklärte Daniel.
»Ich?« Dana verstand gar nichts mehr.
Daniel griff in die Umhängetasche, die neben ihm lag, und zog das erste Kästchen von Esau hervor. Wortlos hielt er es Dana entgegen.
Dana holte das zweite Kästchen, das sie von Esrim erhalten hatte, hervorholte.
Erst jetzt bemerkte sie, dass die glatten Kanten einander ergänzten.
Mit feuchten Händen legte Dana beide Kästchen aufeinander.
Im nächsten Augenblick erglühte der so entstandene Quader, und eine grelle Explosion aus reinem Violett hüllte sie ein und ließ die Umgebung in einem Splitter aus glühendem Licht vergehen.
*
Gemeinsam mit Yngvar und Daniel schwebte Dana inmitten eines Kokons aus gleißendem Licht. Auf der Innenseite der Hülle erschienen und vergingen Szenen, die sie teilweise nur allzugut kannte.
Links über Daniels Kopf war eine Frau zu sehen, die mit schweißnassem Gesicht und tränennassen Augen ein Kind zur Welt brachte. Ihre Mutter.
Rechts von Yngvar wurde die STERNENFAUST II gerade in den HD-Raum gezogen – der STERNENFAUST-Zwischenfall. Das Bild wurde abgelöst von Stephan van Deyk, der auf der zerstörten Brücke saß und blicklos ins Leere starrte.
Unter ihr kämpften die Wanagi gerade gegen die Kad’Chie und zogen einen Strom aus Energie von der Erde ab. Milliarden starben.
Sirius III wurde von den Kad’Chie zerstört.
Vincent Taglieri stand vor einem riesigen Auditorium und leistete seinen Amtseid, um als neuer Ratsvorsitzender die Geschicke der Solaren Welten zu lenken.
Die STERNENFAUST I verging in der Porta von Wurmloch Alpha.
Michael Tong nahm Abschied von Dana, weil er sein erstes eigenes Kommando erhielt.
Dana flog, gemeinsam mit Commodore Kim Ray Jackson, im Shuttle zur STERNENFAUST I, um ihr erstes eigenes Kommando anzutreten.
Ein Sternenreich ist erloschen.
Die Stimme war ganz plötzlich in Danas Geist. An den Gesichtern von Daniel und Yngvar erkannte sie, dass die beiden diese Stimme ebenfalls hören konnten. Dana konnte nicht genau sagen, ob es sich um eine männliche oder weibliche Stimme handelte, sie wirkte androgyn.
Die unsterbliche Botin des erloschenen Reiches versammelt ihre Streiter. Zwei Zeiten vereint.
Dana bekam unweigerlich eine Gänsehaut. Direkt vor ihr erschien ein Bild des Andromedanebels. Daneben schwebten die STERNENFAUST I und II.
Unter den vereinten zwölf Akoluthoren muss der kosmische Appell geäußert werden.
Was waren Akoluthoren? Dana wagte es nicht, die Frage laut auszusprechen, aus Angst, den Informationsfluss zu unterbrechen.
Wenn das Dodekum sich im kosmischen Panthesaurum bildet, erlangt der Plan seine Vollendung.
Direkt vor ihr begann es, in der Luft zu brodeln.
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