Sternenfaust - 185 - Das erloschene Reich
das Ableben des Prinzipals.«
»Aber er kann nicht …«
Cana konnte nicht übersehen, wie nah ihm die Nachricht ging. Sie strich ihm tröstend mit ihrem nachtblauen Haargespinst über das Gesicht, während ihr Geist tröstende Schwingungen aussandte.
Taro sog beides in sich auf wie ein ausgetrockneter Schwamm.
»Wenn es tatsächlich wahr ist …«
»Es ist wahr. Wir müssen uns damit abfinden.«
Taro sah sie benommen an. »Woher wusstest du überhaupt, wo ich bin?«
»Was für eine törichte Frage. Wir sind vom selben Blut.«
Beschämt blickte er zu Boden. Manchmal vergaß er, wie eng die meisten Mitglieder einer Familie miteinander verflochten waren. Er selbst hatte damals geglaubt, vom Blitz getroffen zu werden, als sein Vada aus bis heute ungeklärten Gründen bei einem Ausritt ums Leben gekommen war. Sein Epone war nie gefunden worden, wohl aber Ranos vom Vakuum des Weltenraums grausam verstümmelter Leichnam. Im Moment seines Todes hatte Rano ein letztes Mal mental Verbindung zu Taro aufgenommen. Unbewusst natürlich, als bloßer Reflex. Aber die Schockwelle hatte Taro erreicht und noch unvergleichlich heftiger erschüttert als die Nachricht vom Tode des Prinzipals es momentan vermochte.
»Du denkst an Rano«, sagte Cana unvermittelt. Ihre Stimme klang warm und weich.
»Und wenn?« Taro schob trotzig sein Kinn vor und kämpfte um seine Beherrschung.
Cana lächelte milde. »Es ist gut, wenn du seiner gedenkst. Er wäre stolz auf dich. Du stehst kurz vor deiner Initiierung. Bald wirst du selbst ein Eponenreiter sein und auf deines Vadas Spuren wandeln.«
Taros Gedanken fanden dorthin zurück, wohin Canas Worte sie ursprünglich gelenkt hatten. »Wie ist Manak gestorben?«, fragte er mit seiner Lautstimme. »Er war alt, ich weiß. Aber nichts deutete darauf hin, dass es ihm nicht gut geht.«
»Dazu gab Ventor keine Erklärung ab. Ich denke, morgen erfahren wir mehr. Lass uns nach Hause gehen. Lass uns versuchen, Schlaf zu finden.«
» Uns stehen unruhige Zeiten bevor, so viel lässt sich jetzt schon sagen «, fügte sie mit der Geiststimme hinzu.
Taro zögerte.
Cana strich ihm über das für männliche Karolaner typische goldene Haargespinst. »Du musst damit aufhören« , beteuerte sie. »Stürz dich nicht ins Unglück, mein Junge.« Sie seufzte. »Du bist ein hübscher Kerl. Ich weiß, dass viele Mädchen unserer Klasse sich glücklich schätzen würden, wenn du ihnen endlich Beachtung schenken würdest. Es gibt Regeln, an die auch du dich halten musst. Manak, den du so sehr verehrst, war nicht ohne Grund ein leidenschaftlicher Verfechter unserer Gesetze.«
» Ich hoffe, seinem Nachfolger sind sie ebenso heilig «, hörte er ihre Gedanken.
»Ins Unglück stürzen?« , echote Taro. »Ich weiß nicht, was du meinst, Mater.«
»Du weißt ganz genau, wovon ich rede. Und es ist an der Zeit, dass du begreifst, mir nichts vormachen zu können. Dein Unglück hat einen Namen: Jinu. Die Tochter des Verkünders mag eine reizende junge Frau sein, ganz ohne Frage. Aber sie gehört einer Gesellschaftsschicht an, zu der wir keinen Zugang haben. Finde dich damit ab, dass eines Tages jemand aus ihren Reihen sie erwählen wird. Denn auch sie kann nicht, selbst wenn sie dies wollte, die uralten Traditionen mit Füßen treten. Ihre Familie ließe das niemals zu.«
»Mater!« Taro hatte das Gefühl, ein eisernes Band um seine Brust sprengen zu müssen, um Luft zu holen und seiner Mater Einhalt zu gebieten.
»Schon gut, schon gut.« Sie strich ein letztes Mal durch sein Gespinst, dann drehte sie sich um und eilte dann dem Cluster entgegen. »Komm jetzt!«
Taro entschied, nachzugeben – aber die nächstbeste Gelegenheit zu nutzen, um seiner Mater von seinem Plan zu erzählen. Danach würde sie verstehen, dass seine Liebe zu Jinu mehr war als bloße Schwärmerei. Und dass es eine reelle Chance gab, die Kluft, die seine Kaste von der ihren trennte, zu überwinden.
»Warte!« Er rannte Cana hinterher, holte sie ein, und kurz darauf tauchten die Lichter von Kor’Aron vor ihnen auf.
Der Cluster schien zu glühen. So hell erleuchtet hatte Taro ihn noch niemals zuvor gesehen. Fast schien es, als stünde er in Flammen.
»Was geht da vor sich, Mater?«
Auch Cana war mit ihm auf der Anhöhe stehen geblieben, um in die Senke hinabzuschauen, in der die organischen Häuser eng miteinander verschachtelt ein Gebilde formten, das Ähnlichkeit mit dem Adergeflecht im Körper eines Karolaners hatte.
»Was da vor sich
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